Was ist passiert? Nach über 30-jähriger Fahndung ist die frühere mutmassliche Terroristin Daniela Klette von der Roten Armee Fraktion (RAF) in Berlin verhaftet worden. Der 65-Jährigen wird zusammen mit Ernst-Volker Staub (69) und Burkhard Garweg (55), die ein gesuchtes Trio von Ex-RAF-Terroristen der dritten Generation bildeten, versuchter Mord und eine Serie schwerer Raubüberfällen zwischen 1999 und 2016 vorgeworfen. Die Tatorte lagen laut den Ermittlern in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Bis ein Gericht ihr den Prozess gemacht hat, gilt die Unschuldsvermutung.
Was ist über die Festnahme bekannt? Laut den Behörden sei Klette in ihrer Wohnung in Berlin aufgesucht worden. Man habe sie auf den Polizeiposten gebracht und ihre Identität mittels Fingerabdruck überprüft. Danach habe man sie mit dem Helikopter nach Bremen gebracht und von dort dem Amtsgericht Verden vorgeführt. Dort wurde Untersuchungshaft für Klette angeordnet und ein Durchsuchungsbefehl erteilt. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden ein gefälschter ausländischer Pass, zwei Pistolenmagazine und Patronen, aber keine Pistole gefunden. Laut dem Leiter der Staatsanwaltschaft Verden sei eine Wiedererkennung Klettes von «Angesicht zu Angesicht» möglich gewesen.
Die Terrorspuren der dritten RAF-Generation
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Bild 1 von 8. Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette (v.l.), gehören zur dritten RAF-Generation. Die Behörden sind der Überzeugung, dass sie hinter zahlreichen Raubzügen auf Banken und Geldtransporte stecken. Das deutsche Bundeskriminalamt hat wiederholt mit Fahndungsfotos (oben) und Alterssimulationen (unten) nach ihnen gesucht. Bildquelle: Keystone/BKA.
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Bild 2 von 8. Daniela Klette (65) ist am Montag am späten Nachmittag in einem Mehrfamilienhaus in Berlin Kreuzberg gefasst worden. Bildquelle: Keystone/DPA/Paul Zinken.
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Bild 3 von 8. Einen Tag später wurde sie dem Amtsgericht Verden vorgeführt. Ob sie tatsächlich im gepanzerten Fahrzeug sass, liessen die Behörden offen – ist aber anzunehmen. Bildquelle: KEYSTONE/DPA/Sina Schuldt.
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Bild 4 von 8. Auch heute hängt noch ein Fahndungsplakat am Amtsgericht im niedersächsischen Verden. Bildquelle: Keystone/DPA/Sina Schuldt.
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Bild 5 von 8. Die dritte RAF-Generation wird für mehrere Attentate verantwortlich gemacht: 1989 löste eine Lichtschranke eine Bombe aus, die neben der Limousine von Alfred Herrhausen, dem Chef der Deutschen Bank, explodierte. Herrhausen erlitt tödliche Verletzungen, sein Fahrer überlebte leicht verletzt (Archivfoto vom 30.11.1989). Bildquelle: Keystone/DPA/Kai-Uwe Wärner.
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Bild 6 von 8. 1991 tötete ein Scharfschütze Detlev Karsten Rohwedder, den Leiter der Treuhandanstalt, mit einem Schuss durch das Fenster seines Hauses. Ein zweiter Schuss verletzte seine Frau. Am Tatort entdeckten die Ermittler ein Handtuch: Eine DNA-Analyse wies ein darauf gefundenes Haar Wolfgang Grams, einem Mitglied der RAF, zu. (Archivfoto vom 02.04.1991). Bildquelle: Keystone/DPA/Hartmut Reeh.
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Bild 7 von 8. Kurz vor ihrer Fertigstellung wurde die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt in der Nacht zum 27. März 1993 durch eine Explosion von etwa 200 Kilogramm Sprengstoff stark beschädigt. Verdächtigt wird auch hier das Trio der dritten RAF-Generation (Archivfoto vom 28.03.1993). Bildquelle: Keystone/DPA/Frank Kleefeldt.
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Bild 8 von 8. Am 20. April 1998 erhält die Nachrichtenagentur Reuters eine Mitteilung, in der die RAF ihre Selbstauflösung erklärt. Doch Mythen um die dritte Generation halten sich bis heute. Bildquelle: Reuters.
Wie konnte Daniela Klette erwischt werden? In der Fahndungssendung des deutschen TV-Senders ZDF «Aktenzeichen XY ungelöst» vom 14. Februar 2024 hat die Staatsanwaltschaft Verden um Hinweise zu früheren RAF-Terroristen gebeten. Die Ermittler erhielten rund 250 Hinweise, 80 davon anonym. Fünf der Hinweise wurden mit höchster Priorität behandelt. Die Behörden schrieben eine Belohnung von insgesamt 150'000 Euro für wichtige Hinweise aus. Die Festnahme Klettes stehe aber nicht im Zusammenhang mit der Ausstrahlung der TV-Sendung, versicherte der Leiter des zuständigen Kriminalamtes. Im November letzten Jahres sei ein Hinweis eingegangen, der zu einer konkreten Spur und zur Festnahme geführt habe. Man habe in den vergangenen neun Jahren eine vierstellige Zahl an Hinweisen erhalten.
Wie gelingt es, 30 Jahre im Untergrund zu leben? Dies soll nun im Gespräch mit Klette herausgefunden werden. Laut den Behörden liegt das zum einen an der falschen Identität. Weitere Details seien aber noch zu ermitteln. Die Behörden wissen zurzeit nicht, wo sich KIette während dieser Zeit aufgehalten hat.
Die ungeklärten Morde der Roten Armee Fraktion (RAF)
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Bild 1 von 5. Hanns Martin Schleyer. Nach der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer hat das RAF-«Kommando Siegfried Hausner» den Mörder nie verraten. Sechs Wochen nach der Entführung wird Schleyers Leiche im Oktober 1977 im Elsass gefunden. Die zweite RAF-Generation wollte inhaftierte RAF-Gründer freipressen, was die deutsche Regierung ablehnte. (Bild von 1974). Bildquelle: (KEYSTONE / AP Photo.
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Bild 2 von 5. Alfred Herrhausen. Rätsel bleiben auch nach dem Mord an Alfred Herrhausen, Chef der Deutschen Bank. Es ist unbekannt, wer am 30. November 1989 in Bad Homburg seine gepanzerte Limousine in die Luft gesprengt hat. Bekannt hat sich das «Kommando Wolfgang Beer» der dritten RAF-Generation. Ermittlungen mussten mangels Beweisen eingestellt werden. (Bild von 1989). Bildquelle: Imago Images / Thomas Imox.
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Bild 3 von 5. Siegfried Buback. Es ist unklar, wer am 7. April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei Begleiter getötet hat. Als ihr Dienstfahrzeug an einer Ampel hält, feuern zwei Terroristen von einem Motorrad aus mit automatischen Waffen auf den Wagen. Das «Kommando Ulrike Meinhof» der zweiten RAF-Generation bekennt sich zur Tat. (Bild von 1977). Bildquelle: IMAGO Image / Sven Simon.
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Bild 4 von 5. Karl Heinz Beckurts. Der Physiker und Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts wird am 9. Juli 1986 in der Nähe von München mit einer Bombe getötet. Zu der Tat bekennt sich das RAF-«Kommando Mara Cagol» der dritten Generation. Wer dahintersteckt, bleibt bis heute unbekannt. Der verdächtigte Horst Ludwig Meyer wird 1999 in Wien erschossen. (Bild von 1985). Bildquelle: IMAGO / Wolfgang Maria Weber.
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Bild 5 von 5. Detlev Karsten Rohwedder. Detlev Karsten Rohwedder, Chef der Treuhandanstalt (THA), wird am 1. April 1991 in seinem Haus in Düsseldorf erschossen. Der bis heute unbekannte Scharfschütze trifft ihn aus 63 Metern Entfernung am Schreibtisch mit einer Gewehrkugel. Das Attentat reklamiert das RAF-«Kommando Ulrich Wessel» für sich und es gilt als einer der letzten RAF-Morde. Bildquelle: Keystone / EPA, HARTMUT REEH.
Ist die dritte Generation RAF die letzte Generation? Ja. Die Gruppe war zunächst als Baader-Meinhof-Gruppe aktiv und radikalisierte sich 1968. Die Terror-Gruppe war über Jahre aktiv und wird in drei Generationen unterteilt. Die letzte Generation wollte den Terrorismus internationalisieren und setzte die Gewaltwelle fort. Den letzten Mord verübte die Gruppe 1991. Bis heute sind viele Verbrechen der dritten RAF-Generation nicht aufgeklärt. Die RAF löste sich 1998 selbst auf. Etliche RAF-Mitglieder wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, zwei Dutzend wurden getötet oder nahmen sich selbst das Leben. Einige haben ihre Haftstrafe verbüsst oder sind nach Begnadigungen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden.
Wer ist noch auf der Flucht? Nach der Festnahme Klettes sind insgesamt noch zwei ehemalige RAF-Mitglieder auf der Flucht, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Ob es sich bei der am Dienstag ebenfalls verhafteten Person um einen der beiden Männer handelt, ist noch nicht bekannt.