Darum geht es: Der frühere Top-Terrorist «Carlos der Schakal» (mit bürgerlichem Namen: Ilich Ramírez Sánchez) ist von einem Pariser Gericht erneut zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht sprach den Venezolaner schuldig, 1974 eine Handgranate in eine Einkaufsgalerie geworfen zu haben. Dabei wurden zwei Menschen getötet und 34 verletzt.
Generalstaatsanwalt Rémi Crosson du Cormier zeigte sich in seinem Schlussplädoyer überzeugt von der Schuld des Angeklagten. «Ich habe keine DNA, keine Fingerabdrücke, keine Videoüberwachung» – aber alle Indizien würden dafür sprechen, dass «Carlos» der Täter sei.
Das sagt die Verteidigung: Die Verteidigung kündigte Berufung an und sprach von einem «Justiz-Theater» – sie sah keine ausreichenden Beweise gegen Carlos. «Man weiss nicht einmal, was für ein Granaten-Typ im Drugstore Saint-Germain explodiert ist», kritisierte sein Anwalt. Tatsächlich hatte sich die Suche nach der Wahrheit während des Prozesses schwierig gestaltet: Zeugen konnten sich fast 43 Jahre nach dem Anschlag nicht mehr genau an die Ereignisse erinnern, einige der damals Verletzten sind inzwischen verstorben, Experten mussten ausgetauscht werden. Weiter hatten die Anwälte mehrfach argumentiert, dass die intensive Berichterstattung über den Angeklagten Zeugen beeinflusst habe.
Das sagt Carlos selbst: Der Ex-Terrorist bezeichnete den Prozess in seinem Schlusswort als «absurd». «Ich bin kein Unschuldiger», sagte er. Aber dieses Verfahren sei in jeder Hinsicht eine Absurdität. «Da ist nichts.» Während des Prozesses wich «Carlos» Fragen zu seiner möglichen Täterschaft aus: «Vielleicht war ich es, aber es gibt keinerlei Beweis dafür.» Dem Gericht hatte sich Sánchez erneut als «Berufsrevolutionär» im Namen der palästinensischen Sache präsentiert.
Carlos' terroristische Vergangenheit: Sánchez war in den 1970er und 1980er-Jahren einer der meistgesuchten Männer der Welt. Er war für die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) aktiv und etwa an der Geiselnahme von Opec-Ministern in Wien beteiligt. 1994 wurde er im Sudan gefasst und nach Frankreich gebracht – seine Anwälte sprechen bis heute von einer Entführung.
Frühere Verurteilungen: Zur Last gelegt werden Sánchez zahlreiche Anschläge, darunter etwa derjenige von 1972 auf Olympia in München oder der Anschlag 1975 auf die OPEC-Konferenz. Der Venezolaner wurde in der Vergangenheit schon zweimal in Frankreich zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt – wegen mehrerer Morde und Anschläge.
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Bild 1 von 13. Parfümierter Mafioso, ideologischer Revolutionär oder Terror-Unternehmer, der am Kalten Krieg verdiente? Carlos, hier fotografiert vermutlich in den frühen 1970er Jahren, will für rund 100 Anschläge mit 1500 bis 2000 Toten verantwortlich sein. Die Opfer sind für ihn bloss «Kollateralschäden». Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 13. Nach dem Anschlag auf das Opec-Hauptquartier in Wien im Dezember 1975 können die Terroristen um Carlos mit einer zur Verfügung gestellten DC-9 nach Algier entkommen. An Bord sind 33 von ursprünglich 70 Geiseln, darunter elf Öl-Minister. Der damalige österreichische Aussenminister verabschiedet Carlos per Handschlag. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 13. Um seine Frau Magdalena Kopp und den Schweizer Komplizen Bruno Bréguet aus französischer Haft freizupressen, verübte Carlos ab 1982 mehrere Anschläge. Ziel war unter anderem die Pariser Redaktion der Zeitung «Al Watan al Arabi». Die Bombenexplosion an der Rue Marbeuf forderte ein Todesopfer und 63 Verletzte. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 13. Nach vielen Stationen in Osteuropa und im Nahen Osten fand Carlos Anfang der 90er Jahre Unterschlupf in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Dort wurde er 1994 an die französischen Behörden überstellt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 13. Ilich Ramírez Sánchez alias Carlos vor einem Gericht in Paris im November 2000. Er nutzt die – seltener werdenden – Auftritte an Prozessen zu stundenlangen Plädoyers in eigener Sache. Mit Ausrufen wie «Vive la révolution! Allahu Akbar!» gefällt er sich in der Rolle des unbeugsamen Revolutionärs. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 13. Der Deutsche Hans-Joachim Klein, der dem Terrorismus längst abgeschworen hat, zweifelt, dass Carlos aus ideologischer Überzeugung gehandelt hat. Im Prozess von 2011 sagte er als Zeuge: «Er hat seit den 80er Jahren seine Attentate vor allem für Geld verübt. Das hatte nichts mit der Revolution zu tun.». Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 13. Der Deutsche Johannes Weinrich galt lange Zeit als rechte Hand von Carlos. Er stand 2011 zusammen mit ihm vor Gericht. Wegen der Attentate in den 80er Jahren mit mehreren Todesopfern und rund 150 Verletzten wurde er wie Carlos zu lebenslanger Haft verurteilt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 13. Die Deutsche Magdalena Kopp war lange die Freundin von Carlos. 1982 wurde sie in Paris verhaftet und verurteilt. Um sie freizupressen, verübte Carlos mehrere Attentate. Nach ihrer Freilassung heiratete Kopp Carlos und gebar ihm eine Tochter. Seit 1992 sind sie getrennt. Sie ist wiederholt als Zeugin bei Terrorprozessen befragt worden. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 13. Die Französin Isabelle Coutant-Peyre ist nicht nur die Anwältin von Carlos, sondern seit einigen Jahren auch seine Ehefrau. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 13. Swiss Connection: Der Schweizer Bruno Breguet arbeitete für die Palästina-Befreiungsfront und später als treuer Leutnant für Carlos. Er wurde 1982 zusammen mit dessen Freundin Magdalena Kopp in Paris verhaftet. Er gilt als verschwunden. Zuletzt wurde er im November 1995 auf einer Fähre zwischen Griechenland und Italien gesehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 13. Giorgio Bellini stammt aus dem selben Tessiner Dorf wie Breguet. Die damalige Bundesanwältin Carla del Ponte versuchte in den 90er Jahren vergeblich, Bellini eine Beteiligung an einem Carlos-Attentat auf Radio Free Europe 1981 nachzuweisen. Bellini stritt dies immer ab. Er hat zugegeben, Carlos mehrere Male getroffen zu haben, «aus Neugier». Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 13. Bellini – eine Figur der Zürcher Bewegung – war 1981 Tage vor dem Attentat auf Radio Free Europe in Deutschland verhaftet worden, aufgrund eines Rechtshilfegesuchs aus Italien. Daraufhin stürmten zwei Maskierte das Studio der «Tagesschau» und hielten vor Sprecher Léon Huber ein Plakat in die Kamera. Damit verlangten sie die Freilassung Bellinis. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 13. Der Lausanner Bankier François Genoud unterstützte jahrzehntelang Nazi-Figuren und arabische Nationalisten – im rechtsextremen Kampf gegen den Zionismus. In einem Interview mit der welschen «Illustré» sagte Carlos, er habe Genoud «sehr geliebt». Er sei ihm – wie Bruno Breguet – «sehr nahegestanden». Bildquelle: Keystone.