Über das Wochenende verschlimmerte sich die Überschwemmungssituation in einigen Provinzen in Pakistan weiter. Bis kamen 1061 Personen ums Leben. Doch vorbei sei es noch lange nicht, so der ARD-Korrespondent Peter Hornung vor Ort.
SRF News: Was bedeutet die Überschwemmung für die betroffenen Menschen?
Peter Hornung: Das ist schwer zu fassen, wenn man die Bilder davon sieht. Riesige Gebiete, mehrere Provinzen, stehen vollkommen unter Wasser. Wenn Militärhelikopter drüberfliegen, sieht man nichts mehr, nur noch Wasser. Die pakistanische Klimaschutzministerin, die hat es auf den Punkt gebracht: Es sieht aus, als sei der Ozean übers Land gekommen. Das geht so weit, dass inzwischen die Marine im Landesinnern eingesetzt wird. 30 Millionen Menschen sind in vier Provinzen betroffen, 300'000 Häuser sind zerstört bisher. Die Zahl der Toten ist jetzt bei 1060. Wenn man die Bilder sieht, kann man sich vorstellen, dass es durchaus noch schlimmer werden könnte.
Der Monsun ist ein wiederkehrendes Phänomen. Woran ist dieses historische Ausmass erkennbar?
Der Regen ist viel heftiger als sonst, fünf bis siebenmal intensiver. Er ist auch früher gekommen als sonst. Es ist die Rede von einem Monstermonsun. Aber es ist ja nicht allein der Regen.
Seit Monaten schon herrschen eine extreme Hitzewelle und eine grosse Dürre.
Es sind eine ganze Reihe von extremen Wetterphänomen, die Pakistan und die ganze Region Südasien heimsuchen. Seit Monaten schon herrschen eine extreme Hitzewelle und eine grosse Dürre. In der Folge sind Gletscher im Karakorum-Gebirge geschmolzen. Es kam zu Sturzfluten, die auf dem trockenen Boden richtiggehend zu Tal geschossen sind und Brücken mitgerissen haben. Und dann kamen diese extremen Regenfälle.
Mit welchen Folgen müssen die Menschen in diesen überfluteten Gebieten kämpfen?
Eine Folge ist, dass sie zwar viel Wasser haben, aber zu wenig Trinkwasser. Die Menschen trinken in ihrer Not verschmutztes Wasser, um nicht zu verdursten. Und dann verbreiten sich Krankheiten, Durchfallerkrankungen, vor allem Infektionen.
Das heisst, die Lebensgrundlage von Hunderttausenden, vielleicht von Millionen, ist zerstört.
Dazu fehlt es an Nahrungsmitteln. Getreide und Reis werden nass und verfaulen. Für sehr viele stellt sich auch die Frage nach dem Überleben über den Tag hinaus. Denn es sind nicht nur die Häuser zerstört, auch das Vieh ist ertrunken. Das heisst, die Lebensgrundlage von Hunderttausenden, vielleicht von Millionen, ist zerstört. Dieses Problem wird bleiben, wenn das Wasser längst wieder weg ist.
2010 gab es auch schlimme Überschwemmungen. Welche Lehren hat man daraus gezogen?
Eigentlich wie fast überall in der Grossregion Südasien. Zum Beispiel, dass man nicht so nah am Wasser baut. Aber das muss man sich auch alles leisten können. Die Flutkatastrophe trifft die Ärmsten am schlimmsten. Die können sich nicht leisten, woanders hinzuziehen. Hinzu kommt: Es gab 2010 danach einen Bericht für die pakistanische Regierung, was man alles machen könnte, machen müsste. Aber die Regierung hat es versäumt, zum Beispiel ein effektives Frühwarnsystem zu installieren. Da ist nichts passiert in den letzten zwölf Jahren.
Der Monsun dauert in Pakistan normalerweise vom Juni bis etwa September. Ist Entspannung dann in Sicht?
Im Augenblick nicht. Es gibt Vorhersagen der Behörde, dass an einigen Abschnitten in den nächsten 8 bis 12 Tagen die Pegel noch steigen werden. Es ist auch Regen vorhergesagt. Und ein weiteres Problem ist im Norden. Die Wasserstände sinken zwar, aber das Wasser fliesst Richtung Flachland. Dort steigt das Wasser noch.
Das Gespräch führte Claudia Weber.