Nun ist es soweit: Frauen in Saudi-Arabien sollen erstmals Autos fahren dürfen. Die ultrakonservative Monarchie hatte vergangenen September als letztes Land der Welt angekündigt, Frauen das Autofahren erlauben zu wollen. Die deutsch-italienische Filmemacherin Carmen Butta erklärt, welchen Stellenwert dieses Lockerung der Vormundschaftsgesetze hat.
SRF News: Wie wichtig ist dieser morgige Tag?
Carmen Butta: Es ist wichtig, weil die Frauen so zu ihrem Arbeitsplatz kommen. Die Frauen prangerten ja schon lange an, dass sie zwar ausgebildet werden, aber nicht ohne einen Fahrer zu ihrem Arbeitsplatz kommen. Das war im Alltag ein ständiger Kampf und ein Hindernis. Über 60 Prozent der Frauen haben eine Ausbildung und nicht einmal 15 Prozent von ihnen arbeiten. Zumindest für die urbane, obere Schicht ist dieser Schritt wichtig, um in der Arbeitswelt eine grössere, wichtigere Rolle zu spielen. Damit ist vieles andere verbunden.
Die Frauen sind nach wie vor vom Wohlwollen der Familien abhängig.
Allerdings ist das Absurde, dass die Frauen nach wie vor vom Wohlwollen der Familien abhängig sind. Ob sie einen Führerschein machen dürfen, ob sie sich ein Auto kaufen können, das entscheidet die Familie, also der Vormund: ihr Vater, ihr Bruder, ihr Ehemann.
Der Kronprinz lockerte das Vormundschaftsgesetz. Frauen dürfen nun auch ohne Zustimmung des Vormundes zum Beispiel geschäftlich tätig sein. Ändert sich damit auch was grundsätzlich?
Es ist zu einem Grossteil Kosmetik. Die meisten Schritte der Liberalisierung finden im Bereich der Freizeit statt. Also, ob die Frauen Zugang zum Stadion haben oder ob sie ins Kino gehen dürfen. Dies hat den Beigeschmack von «Brot und Spiele», eine grundlegende Veränderung ist es aber nicht.
Müssen Reformen von oben kommen? Ist es so, dass Reformen von unten, also Forderungen von Aktivistinnen sofort unterbunden werden?
Ja, das ist sicher so. Das ist kein Zufall und die Verhaftungen von Aktivistinnen ist ein ganz klares Signal: Wir schenken Euch Liberalisierung, aber alles hängt von der Gnade des Herrschers ab. Es sind also keine Errungenschaften der Untertanen.