Bauer Christoph Baumann ist stolz auf seinen Betrieb im bernischen Wichtrach. 50 stattliche Milchkühe stehen im Stall. «Es gibt keine Hektik und der Stall ist nach den neusten Tierschutzvorschriften konzipiert», sagt er. Den Kühen gehe es sehr gut.
Möglicherweise sogar besser als den Bauern selbst. Er selbst sei am «düresüüche», sagt Baumann. Investieren könne er nicht, der Betrieb werfe keinen Gewinn ab. Der Grund dafür: Der Milchpreis sei viel zu tief.
Zusammen mit einigen Berufskollegen will er das ändern. 20 oder 30 Rappen mehr pro Liter Milch wollen die Bauern. Dafür soll die Milch mit dem Label «Fair» versehen werden.
Die Forderung
Medienkonferenz auf dem Toni-Areal in Zürich: Wo einst jeden Tag bis zu einer Million Liter Milch verarbeitet wurden, steht heute ein hochmoderner Universitäts-Campus. Hier legen die Bauern ihre Argumente dar. Es brauche ein Label, das Milch kennzeichnet, für die die Bauern mindestens 75 Rappen pro Liter erhalten sollen. «Wir wollen einen gerechten Milchpreis für die Bauernfamilien. Sie sollen sich wieder auf einem gesunden und vor allem fairen Niveau bewegen können.»
Es kann nicht sein, dass die Wertschöpfung bei der Milch erst beginnt, wenn sie mit dem Lastwagen vom Hof fährt.
Heute schöpfe vor allem der Zwischen- und Detailhandel den Hauptgewinn ab, doppelt Edi Bircher nach, der im aargauischen Erlinsbach einen Familienbetrieb führt: «Wir produzieren Milch für 55 Rappen im Durchschnitt. Vollkostenrechnungen haben aber bewiesen, dass 75 Rappen das Minimum sind. Es kann nicht sein, dass die Wertschöpfung bei der Milch erst beginnt, wenn sie mit dem Lastwagen vom Hof fährt.»
Wenn der Aufpreis vollumfänglich den Bauern zu Gute käme, wären die meisten Konsumentinnen und Konsumenten bereit, etwas mehr für die Milch zu bezahlen, ist Bäuerin Priska Wismer aus dem luzernischen Rickenbach überzeugt. Der Preisaufschlag im Laden wäre minim: «Ein Joghurt oder ein Liter Milch würde deshalb nicht viel teurer. Für die Milchproduzenten ist es aber ein sehr grosser Zugewinn.»
Es gibt viele Labels
Ein Label, das nicht nur die Qualität eines Produktes garantiert, sondern auch auf ein anständiges Einkommen der Produzenten hinweist, würde sicher beachtet, glaubt Priska Wismer und verweist auf das Max-Havelaar-Label für fair bezahlte Drittwelt-Produkte. Das hätten auch die Schweizer Milchbauern nötig, findet sie.
Nur: Es gibt bereits jede Menge Labels. Am bekanntesten ist die Knospe für biologisch produzierte Milch. Aber auch Wiesen oder Heumilch sind speziell gekennzeichnet, Milch aus dem Berggebiet oder aus der näheren Umgebung, Labels von Heidi bis Demeter. Von schwachen bis zu strengsten Vorschriften gibt es alles.
Priska Wismer glaubt trotzdem, dass noch Platz für Neues existiere. Das Fair-Label sei anders als alle andern: «Unser Label hat zwar auch Grundanforderungen an den Inhalt. Der Schwerpunkt ist aber, dass der Produzent gerecht entlöhnt wird.»
Keine Begeisterung bei den Grossverteilern
Ob das auch die Grossverteiler so sehen, werden Verhandlungen zeigen. Auf Anfrage reagieren sowohl Coop wie Migros eher zurückhaltend. Man führe bereits acht verschiedene Milchlabels im Sortiment, schreibt die Migros. Die Lancierung eines weiteren würde sicher «sorgfältig geprüft».
Ein fairer Milchpreis ist die Voraussetzung dafür, dass wir unserer Jugend weiterhin ermöglichen können, Landwirtschaft zu betreiben.
Auch Coop verweist darauf, dass bereits jetzt jeder dritte Liter Konsummilch eine sogenannte Mehrwertmilch sei, also mit einem Qualitätslabel versehen. Für diese Produkte bezahle Coop schon jetzt einen deutlich höheren Milchpreis.
Ob und wann also Milchpackungen mit dem Fair-Label in den Ladenregalen stehen, ist völlig offen. Aber sie seien zäh und blieben dran, verspricht Milchbauer Christoph Baumann, denn es gehe um sehr viel: «Ein fairer Milchpreis ist die Voraussetzung dafür, dass wir unserer Jugend weiterhin ermöglichen können, Landwirtschaft zu betreiben.»
Baumanns ältester Sohn scheint daran zu glauben: Er beginnt dieses Jahr seine Landwirtschaftslehre.