Das ist geschehen: Iran hat in der Nacht auf Sonntag den Erzfeind Israel mit Hunderten Drohnen und Raketen erstmals direkt angegriffen. Nach Angaben der Armee heulten die Warnsirenen unter anderem im Süden, am Toten Meer, im Grossraum Jerusalem sowie im Norden des Landes. Armeesprecher Daniel Hagari zufolge wurde ein Mädchen verletzt. Zudem sei eine Militärbasis im Süden des Landes getroffen und leicht beschädigt worden. Nach Angaben des Weissen Hauses konnte Israel auch dank der Mithilfe des US-Militärs «nahezu alle anfliegenden Drohnen und Raketen abfangen». Nach einigen Stunden gab Israels Heimatschutz schliesslich vorerst Entwarnung: Einwohner im Norden und Süden des Landes müssten sich nicht mehr in der Nähe von Schutzräumen aufhalten, hiess es. Der iranische Vergeltungsschlag für einen – mutmasslich von Israel geführten – Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Syriens Hauptstadt Damaskus vor zwei Wochen war seit Tagen erwartet worden.
Das kam heraus: Irans Militärführung hat den Grossangriff auf Israel als erfolgreich bewertet. «Der Grund für diese Operation war die Überschreitung der roten Linien durch das zionistische Regime (d.i. Israel), die für uns nicht tragbar war», zitierte die Nachrichtenagentur Isna Irans Generalstabschef Mohammed Bagheri. Präsident Ebrahim Raisi schloss daran an, man habe Israel eine «Lektion» erteilt. Israel hält dagegen: 99 Prozent der abgefeuerten Geschosse seien abgefangen worden, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Er sprach am Morgen von einem «sehr bedeutsamen strategischen Erfolg» gegen mehr als 300 «Bedrohungen verschiedener Art».
Wir haben abgeschossen, wir haben gebremst. Gemeinsam werden wir siegen.
Das tut jetzt Iran: Wie sich die Ereignisse weiterentwickeln, ist unklar. Denn: Ob aus Sicht der Mullahs hinreichend Vergeltung geübt ist – dazu gibt es widersprüchliche Signale: Zum einen hat Teheran die nächtlichen Luftschläge als «Teile der Antwort» deklariert. Zum andern gab Präsident Ebrahim Raisi an, Ziel und Zweck des iranischen Vorgehens erreicht zu haben: «Die Bestrafung des Aggressors, die das aufrichtige Versprechen des mächtigen und weisen Führers der Islamischen Revolution war, hat sich erfüllt.» Das künftige Verhalten Irans hängt, wie Teheran verkündete, auch von Israels Partnern ab. Irans Revolutionsgarden richteten in der Nacht im Staatsfernsehen eine scharfe Drohung an die USA. «Jede Unterstützung und Beteiligung an der Beeinträchtigung der Interessen Irans» werde eine «entschiedene Reaktion der Streitkräfte der Islamischen Republik Iran nach sich ziehen.»
Das tut jetzt Israel: Das israelische Kriegskabinett hat sich getroffen, um eine adäquate Antwort auf den Angriff Irans vorzubereiten. Bei über drei Stunden langen Beratungen sei kein Beschluss über das weitere Vorgehen gefasst worden, berichtete die Zeitung «Times of Israel». In den kommenden Tagen sollten weitere Gespräche geführt werden, meldete auch das Nachrichtenportal «Axios» unter Berufung auf einen israelischen Beamten. Zuvor hatte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari eine mögliche Reaktion Israels nur vage angedeutet. «Wir prüfen die Situation und zeigen dem Kabinett die Pläne, wir sind bereit zu unternehmen, was für die Verteidigung Israels notwendig ist.» Die Menschen in Israel sind auf jeden Fall dazu angehalten, wachsam zu sein. Sämtliche Bildungseinrichtungen bleiben heute geschlossen, die Strände sind zu.
So verhält sich die Staatenwelt: An einer Reaktion – oder an der Verhinderung derselben – sind womöglich auch Staatschefs und Regierungschefs beteiligt. Sie haben sich am G7-Gipfel am Sonntagnachmittag und im UNO-Sicherheitsrat in der Nacht auf Montag getroffen. Namentlich US-Präsident Joe Biden ist bemüht, «eine gemeinsame diplomatische Reaktion auf den dreisten Angriff des Iran zu koordinieren», will dabei Israel aber «eisern» beistehen.