- Die «Washington Post» berichtet von Aufnahmen, die Verhör, Folter und Tötung von Jamal Khashoggi festhalten sollen.
- Die Aufnahmen sollen mit Ton und Bild beweisen, dass die saudische Staatsführung den verschwundenen Journalisten im saudischen Konsulat in Istanbul ermorden liess.
- Der Bericht bringt nicht nur Saudi-Arabien, sondern auch die Türkei in Erklärungsnot.
Die «Washington Post», für die Khashoggi in der Vergangenheit selbst geschrieben hat, beruft sich in ihrem Bericht auf Informationen türkischer und amerikanischer Offizieller. Sie zitiert eine anonyme Quelle, die Kenntnis von den Aufnahmen haben soll.
Demnach belegen die Bänder, dass Khashoggi erst verhört, dann gefoltert und schliesslich getötet wurde. Mehreren Offiziellen zufolge sei die Leiche des Journalisten anschliessend zerstückelt worden.
Zuvor hatte schon die «New York Times» unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise berichtet, dass ein Team saudischer Agenten Khashoggi in dem Konsulat getötet, seinen Körper danach mit einer Knochensäge zerstückelt und die Reste mutmasslich in Koffern aus dem Konsulat geschafft habe.
Riad wies die Vorwürfe in der Nacht auf Samstag zurück. Es handle sich um Lügen, sagte der saudische Innenminister Prinz Abdulaziz bin Saud bin Naif.
Türkei will Spionage-Aktivitäten verdeckt halten
Nach Informationen der Zeitung scheut die türkische Seite eine Veröffentlichung der Aufnahmen, um nicht zu offenbaren, wie in der Türkei Einrichtungen ausländischer Staaten ausspioniert werden. Unklar sei deshalb auch, inwiefern amerikanische Stellen das angebliche Beweismaterial bereits einsehen durften. Die türkische Regierung habe US-Regierungsvertretern aber versichert, im Besitz kompromittierender Aufnahmen zu sein, die keinen Zweifel an der Mordthese lassen.
Sollte sich die Türkei tatsächlich Aufnahmen aus dem Innern der Landesvertretung der Regionalmacht Saudi-Arabien verschafft oder diese gar selbst heimlich angefertigt haben, würde der ohnehin bereits zur Staatsaffäre ausgewachsene Fall Khashoggi nochmals neue Dimensionen bekommen.
Türkisch-saudische Arbeitsgruppe zur Aufklärung des Falls
Khashoggi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abzuholen. Seitdem wird er vermisst.
Den schon nach kurzer Zeit von türkischer Seite erhobenen Vorwurf, der Regimekritiker sei im Konsulat ermordet worden, weist Saudi-Arabien zurück. Zudem hat die Führung in Riad eine Aufklärung des Falls versprochen.
Zwar hat das türkische Präsidialamt die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Saudi-Arabien angekündigt, um den Fall «in all seinen Facetten» zu beleuchten und aufzuklären. Skeptiker, die an der Ernsthaftigkeit dieser Absichten zweifeln, dürften sich durch die jüngsten Medienberichte aber bestätigt sehen.
USA erwarten Informationen
Die US-Regierung erhöhte am Donnerstag (Ortszeit) den Druck auf ihren engen Verbündeten Saudi-Arabien. Zwar weile der saudische Botschafter in den USA derzeit in Riad, sagte Aussenministeriumssprecherin Heather Nauert. Allerdings fügte sie hinzu: «Wir haben ihm gesagt, dass wir bei seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten Informationen erwarten.»
Nauert betonte, sie wolle vor dem Abschluss einer Untersuchung keine Schuldzuweisungen treffen. «Wir wissen nicht, was passiert ist», sagte sie. Die US-Regierung sei jedoch «extrem besorgt über die Situation», die grösste Aufmerksamkeit auf der höchsten Ebene geniesse.
US-Präsident Donald Trump sagte dem Sender Fox News am Donnerstag: «Wir wollen herausfinden, was passiert ist.» Er nannte das Verschwinden Kashoggis «einen furchtbaren, furchtbaren Präzedenzfall». Khashoggi sei zwar kein amerikanischer Staatsbürger, «aber in diesem Fall spielt das keine Rolle».
Kashoggi kritisierte autoritäre saudische Herrschaft
Khashoggi war vor mehr als einem Jahr aus Angst vor politischer Verfolgung ins US-Exil gegangen. Dort schrieb er unter anderem Artikel für die «Washington Post». Der Journalist begrüsste zwar grundsätzlich die Reformen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, kritisierte aber dessen zunehmend autoritäre Herrschaft.