Zum Inhalt springen
Audio
Fall Kashoggi: Schweiz muss unbedingt reagiern»
Aus SRF 4 News aktuell vom 16.10.2018.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 42 Sekunden.

Fall Khashoggi und die Schweiz «Wir müssen als Hort der Menschenrechte reagieren»

Die Schweiz sollte heftiger auf das Verschwinden des Journalisten reagieren, sagt der ehemalige Diplomat Daniel Woker.

Der Journalist Jamal Khashoggi ist seit knapp zwei Wochen verschwunden. Er wollte auf dem saudischen Konsulat in Istanbul Dokumente für seine Heirat holen und kam nie mehr heraus. Türkische Ermittler gehen davon aus, dass der Regierungskritiker im Konsulat von saudischen Agenten ermordet wurde. Riad bestreitet dies. Der Fall hat international heftige Reaktionen ausgelöst. Der ehemalige Botschafter Daniel Woker fordert auch eine angemessene Reaktion der Schweiz.

Daniel Woker

Ehemaliger Schweizer Botschafter

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Woker war Schweizer Botschafter, unter anderem in Kuwait, Katar und Bahrain. Er ist Spezialist für Geopolitik und Strategie und hat einen Lehrauftrag an der Universität St.Gallen.

SRF News: Soll die Schweiz auf das Verschwinden von Khashoggi reagieren?

Daniel Woker: Auf jeden Fall. Hier muss ganz klar reagiert werden. Eine erste Reaktion ist immerhin erfolgt. Das EDA in Bern hat den saudischen Geschäftsträger eingeladen und ihm seine klare Missbilligung der gravierenden Verletzung der Meinungs- und Äusserungsfreiheit, der Pressefreiheit und natürlich der wahrscheinlichen Ermordung von Jamal Khashoggi kundgetan.

Ist eine solche Reaktion mit der Neutralität zu vereinbaren?

Durchaus. Es gibt verschiedene Grade der Neutralität. So viel ich gehört habe, war es bis jetzt eine relativ zurückhaltende Reaktion, weil man ja noch nicht weiss, was genau passiert ist. Aber es hat nichts mit Neutralität zu tun, wenn ein Journalist mutmasslich ermordet oder entführt wird – er ist jedenfalls nicht zurückgekehrt. Da muss das Schlimmste befürchtet werden. Es ist ein sehr gravierender Verstoss gegen alle internationalen Regeln.

Noch ist nicht klar, was genau passiert ist. Sollte man da nicht noch mit einer Reaktion zuwarten?

Nein, ich glaube nicht. Der Journalist ist verschwunden. Er war mit seiner Verlobten vor dem Konsulat, er ging hinein und ist offensichtlich nicht mehr herausgekommen. Dass er die Botschaft verlassen habe, war eine glatte Lüge der Saudis. Eine Reaktion bereits jetzt ist absolut gerechtfertigt. Wir müssen als ein Hort der Menschenrechte reagieren, als ein Land, das die Pressefreiheit und die freie Meinungsäusserung immer verteidigt hat. Das geht zurück auf den sogenannten Helsinki-Prozess im Kalten Krieg. Da hat sich die Schweiz ganz speziell für die Freiheit der Journalisten, über alles zu berichten, exponiert.

Wie müsste denn diese Reaktion genau aussehen?

Man könnte sich als Äquivalent vorstellen, dass der schweizerische Botschafter in Riad vorspricht. Zudem gibt es auch zahlreiche Möglichkeiten informellerer Art, in Riad oder hier sein Missfallen auszudrücken. Auf offizieller Seite ist beispielsweise eine schweizerische Intervention gegebenenfalls zusammen mit Partnern aus der EU im UNO-Menschenrechtsrat vorstellbar

Wenn Sie von informellen Möglichkeiten reden, wie würden diese aussehen?

Ich war ja selber im Arabischen Golf auf Posten. Unser Botschafter in Riad ist sicher gut vernetzt. Er kann zusammen mit seinen Kollegen auch informell ganz klar machen, dass völlig untolerierbar ist, was die Saudis gemacht haben. Sie merken das auch schon. Es ziehen sich die verschiedensten Firmen, Aushängeschilder und Medien von Konferenzen in Saudi-Arabien zurück.

Ist das alles mehr als nur Symbolpolitik?

Es geht in der Tat ans Eingemachte für verschiedene Parteien. Gerade die Amerikaner, die in letzter Zeit unter Präsident Trump im Mittleren Osten voll auf Saudi-Arabien gesetzt haben, haben einiges zu verlieren. Auch die Türken haben an sich ein gutes Verhältnis mit Saudi-Arabien. Aber bei diesem Vorfall haben sie reagiert und das ist ganz klar ein Zeichen, dass es hier um einen völlig ausserordentlichen Zwischenfall geht.

Dass ein Staat in seiner offiziellen Residenz einen Journalisten umbringt, ist doch ziemlich präzedenzlos.

Die Schweiz nimmt international ab und zu die Rolle der Vermittlerin ein. Kann sie das noch, wenn sie klar Position gegen Saudi-Arabien bezieht?

Vermittlung, was heisst das schon? Wenn Heidi Tagliavini in der Ukraine zwischen Russen und anderen Parteien vermittelt, dann ist das eine Vermittlung und dann wird sie sicher nicht gestört. Hier handelt es sich um etwas völlig anderes. Hier ist ein Journalist wahrscheinlich ermordet worden. Wir sind ganz klar Verteidiger aller Rechte, die hier verletzt wurden. Der Fall Khashoggi hat mit Vermittlung nichts zu tun.

Was ist das wichtigste Argument dafür, dass die Schweiz reagiert?

Dass ein Staat in seiner offiziellen Residenz einen Journalisten umbringt, ist doch ziemlich präzedenzlos. Es sind auch schon andere Journalisten ermordet worden, aber von Auftragskillern. Das ist nicht weniger schlimm. Doch wichtig ist die Tatsache, dass es ihm im Konsulat passiert und dass es einem Journalisten, der offensichtlich wegen Hochzeitspapieren ins Konsulat geht, zustösst. Er wurde im Konsulat wegen Äusserungen, die absolut normal sind, so behandelt. Das ist unakzeptabel. Und da muss die Schweiz klar reagieren.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel