Leona Smelcova ist frustriert. Die Mutter von zwei Kindern wollte diesen Herbst nach insgesamt fünf Jahren Elternzeit zurück auf die Redaktion der Prager Qualitätszeitung, für die sie jahrelang als Auslandredaktorin gearbeitet hatte.
Doch ihr Chef bot ihr nur einen Job bei der verlagseigenen Boulevardzeitung an. «Er sagte mir: Er wisse, dass ich das Angebot nicht akzeptieren könne», sagt die 37-Jährige. «Ich habe jetzt gekündigt. Und ich glaube, das ist, was sie wollten.»
Das könne gut sein, sagt Barbara Pertold-Gebicka. Die Ökonomie-Professorin von der Prager Karlsuniversität hat die Folgen der Elternzeit in Tschechien erforscht. Ihre Erkenntnis: Für viele Frauen ist die Elternzeit ein Karriereknick und für viele Arbeitgeber ein grosses Problem.
«Ein Problem für die Arbeitgeber»
«Sie haben eine gut eingearbeitete Arbeitnehmerin. Wird sie Mutter, kommt sie frühestens nach drei Jahren zurück; hat sie mehrere Kinder, noch später», sagt Barbara Pertold-Gebicka. «Der Arbeitgeber muss die Stelle also mit jemand anderem besetzen. Und dann, wenn die Frau zurückkommt, hat der Arbeitgeber Mühe, ihr eine angemessene Position anzubieten.»
Laut tschechischem Gesetz hat eine Mutter nur knapp sieben Monate Anrecht auf dieselbe Stelle. Danach, bis drei Jahre nach der Geburt, ist der Arbeitgeber zwar verpflichtet, sie wieder einzustellen – aber er kann ihr irgendeinen Job anbieten.
Kaum Kitas, kaum Teilzeitstellen
Leona Smelcova war das bewusst. Aber viele Frauen hätten gar keine andere Wahl, als so lange zu Hause zu bleiben: «Gäbe es die Möglichkeit, zurück in den Beruf zu gehen, ohne ein Vermögen für die Kinderbetreuung ausgeben zu müssen, würden das viele tun.»
«Es gibt in der ganzen Tschechischen Republik vielleicht vierzig öffentliche Kitas. Also praktisch keine», erklärt die Ökonomie-Professorin. Und private Kitas würden zwar subventioniert, seien für viele aber dennoch unbezahlbar.
Es gibt in der ganzen tschechischen Republik vielleicht vierzig öffentliche Kitas. Also praktisch keine.
Journalistin Leona Smelcova schreibt derzeit Bewerbungen. Am liebsten hätte sie einen Teilzeitjob, der mit der Betreuung ihrer drei- und fünfjährigen Kinder vereinbar ist. «Aber in meiner Branche ist es praktisch unmöglich, so eine Stelle zu finden», sagt sie.
Ökonomin Pertold-Gebicka bestätigt: «Tschechische Arbeitgeber stellen lieber jemanden Vollzeit ein, als eine Stelle zu teilen.» Das sei für sie steuerlich günstiger. Aber es gebe langsam ein Umdenken.
Mit Müttern gegen den Fachkräftemangel
Tschechien hat die tiefste Arbeitslosenquote in der ganzen EU; der Fachkräftemangel ist riesig. Da hätten einige Firmen angefangen, besonders qualifizierten Müttern flexible Arbeitsbedingungen anzubieten.
Flexibel ist in Tschechien eigentlich auch die Elternzeit. Mutter und Vater können sie nämlich unter sich aufteilen. Nur machen sie das nicht: Nicht einmal jeder 20. Vater bleibt eine Zeitlang zu Hause. Auch der Ehemann von Leona Smelcova nicht.
Diskriminierte Väter
Hätte er Elternzeit genommen, wäre die Wahrscheinlichkeit gross gewesen, dass ihm sein Arbeitgeber das übel genommen hätte, sagt Ökonomin Pertold-Gebicka: «Wenn Väter Elternzeit nehmen, sehen Arbeitgeber das oft als ein Zeichen mangelnder Motivation. Bei einer Frau gilt das als normal.»
In den Augen der Ökonomie-Professorin ist es die Kombination aus langer Elternzeit, ungenügendem Betreuungsangebot, fehlenden Teilzeitstellen und den Vorurteilen gegenüber jenen Vätern, die eine Zeitlang die Betreuung ihrer Kleinkinder übernehmen wollen, welche die Frauen ins Abseits bringt.