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Fasten und Hochleistungssport Wenn der Ramadan den Trainingsplan durcheinanderwirbelt

Abends auf dem Fussballplatz, es dunkelt langsam ein. Mitten im Match kommt es zum Unterbruch: Spieler laufen an den Rand des Fussballfelds, essen und trinken etwas.

Dieses eher ungewöhnliche Bild hat einen Grund: der Ramadan. Einige Spitzensportlerinnen und Spitzensportler halten die Fastenzeit ein, und müssen dennoch Hochleistungen abliefern. Wie das gehen kann, erklärt Joëlle Flück, Expertin für Sporternährung.

Joëlle Flück

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Joëlle Flück ist Sporternährungswissenschaftlerin und betreut unter anderem Radsportlerinnen und -sportler bei Swiss Cycling. Zudem präsidiert die aktive Läuferin und ehemalige Leistungssportlerin den Verband Swiss Sports Nutrition Society. Der Fachverband macht es sich zur Aufgabe, die aktuellsten Erkenntnisse rund um die Sporternährung evidenzbasiert zu vermitteln.

SRF News: Wie halten sich fastende Spitzensportlerinnen und Spitzensportler während des Ramadans fit?  

Joëlle Flück: Grundsätzlich versuchen sie, ihr Training im gewohnten Rahmen so weiterzuführen, wie sie das gewohnt sind. Wenn möglich passen sie die Trainingszeit und eben dann auch die Ernährung an ihr Training an.

Fussballspieler knien am Spielfeldrand und trinken Wasser.
Legende: Hochleistungssport und Ramadan: Bei Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern erfolgt die Energie- und Flüssigkeitszufuhr erst nach Sonnenuntergang. imago images/Weis Team2

Wie sieht denn so ein Ernährungsplan für fastende Sportlerinnen und Sportler während des Ramadans aus?

Man versucht, darauf Rücksicht zu nehmen, beispielsweise wenn das Training später angesetzt wird, also zum Beispiel nach dem Fastenbrechen. Das Flüssigkeitsdefizit entsteht aber tagsüber. Das sollte man beachten. Das heisst, dass eine gute Trinkstrategie ausgearbeitet werden muss. Dann muss auch abgeklärt werden, welche Nährstoffe nötig sind, um auch die Regeneration und die Schlafqualität verbessern zu können.

Die Fastenpflicht und die Ausnahmen

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Im Koran ist Fasten als Enthaltung (imsak) von bestimmten Tätigkeiten definiert: Verzehr von irdischen Substanzen und Speisen sowie Getränken, Rauchen und Geschlechtsverkehr. Zum Fasten ist jeder Muslim verpflichtet, der in vollem Besitz seiner Geisteskräfte, volljährig und körperlich dazu imstande ist.

Neben diesen praktischen Aspekten gibt es auch ethisch-moralische Komponenten. So sollte ein Moslem unbedingt üble Nachrede, Verleumdung, Lügen und Beleidigungen aller Art vermeiden.

Der Koran lässt aber auch Ausnahmen zu: Schwangere, Stillende und Kranke sowie Kinder (Menschen vor der Pubertät) sind zum Fasten nicht verpflichtet. Schwangere, Stillende und Kranke sollen die versäumten Tage nach Wegfall der Gründe nachholen. Menschen, denen aufgrund von Alter oder Krankheit ein Fasten nicht möglich ist, sollen dafür eine Fastenersatzleistung erbringen. Schwangere und menstruierende Frauen sind von der Fastenpflicht befreit.

Kann ein Hochleistungstraining nach dem Fastenbrechen spätabends stattfinden?

Das macht Sinn: Zuerst sollte dem Sportler Energie und Flüssigkeit zugeführt werden, und dann kann ein qualitativ gutes Training mit möglichst geringem Verletzungs- oder Infektrisiko absolviert werden. So kann auch die Regeneration optimiert werden.

Individualsportler sind im Vorteil.

Wird an einem anderen Punkt im Tagesablauf angesetzt, beispielsweise am Morgen bei Sonnenaufgang, dann entsteht das Problem, dass nach dem Training keine Flüssigkeit und auch keine Energie mehr zugeführt werden kann.

Gibt es Sportarten, die sich besser mit dem Ramadan vereinbaren lassen als andere? 

Individualsportler, die ohne äusserliche Einflüsse unterwegs sind, sind im Vorteil. Läufer können sich beispielsweise besser den Trainingszeitpunkt aussuchen und können gegebenenfalls besser auf diese äusseren Gegebenheiten Rücksicht nehmen. Da ist ein Teamsportler schon allein mit dem Teamtraining oder den Wettkampfzeiten eher gebunden.

Wie gehen andere Sport-Verbände oder die Trainerinnen und Trainer aus Ihrer Sicht mit dem Thema Ramadan und Fasten um?

Das kommt sehr auf den Trainer oder den Mitarbeiterstab an und wie oft sie schon selber mit dem Spannungsfeld Ramadan und Leistungssport in Berührung gekommen sind. Bei Individualsportlern setzen sich die Trainer sehr stark mit dieser Thematik auseinander.

Wenn ich den Ramadan einhalte, kann ich ins Energiedefizit rutschen.

Sie versuchen das Training möglichst so anzupassen, damit der Athlet oder die Athletin trotzdem Fortschritte machen kann, ohne dabei zu grosse Risiken bei der Gesundheit oder der Leistungsfähigkeit einzugehen.

Fasten im Hochleistungssport wird in den sozialen Medien, aber auch bei Experten kritisiert: Ist dies berechtigt?

Aus gesundheitlicher Perspektive muss man sich bewusst sein, dass sich Leistungssportler sowieso in einem Grenzbereich bezüglich Gesundheitsrisiken bewegen. Wenn ich über einen Monat hinweg jeweils sehr viel trainiere, aber den Ramadan einhalte, dann kann ich in ein Energiedefizit rutschen, was dann eben auch grosse gesundheitliche Risiken oder hormonelle Dysbalance auslösen kann.

Das Gespräch führte Can Kühlacigil.

SRF 4 News, 17.03.2025, 16:25 Uhr ; 

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