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Finanzskandal Ex-Wirecard-Chef vor dem Untersuchungsausschuss

Der erste Zeuge im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal ist gleich ein Hochkaräter: Ex-Chef Markus Braun.

Es ist schon eine Art High Noon, wenn der einstige Chef von Wirecard, Markus Braun, aus der Untersuchungshaft vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages tritt. Er wird sich heute Nachmittag nicht selbst belasten, aber spannend sind seine Auskünfte über ein Gespräch, das er im November 2019 mit einem Staatssekretär des Finanzministeriums geführt hat. Unter vier Augen. Als längst die Alarmglocken geschrillt hatten.

Es war kein Routinegespräch

Bislang hiess es, das sei ein Routinegespräch zwischen Finanzministerium und einem Dax-Vorstand gewesen. Das stimmt offensichtlich gar nicht, sagt Florian Toncar, FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Untersuchungsausschusses gegenüber SRF: «Nun haben wir eine E-Mail in den Akten gefunden die besagt, dass das Treffen erstens ausschliesslich auf Wunsch des Bundesfinanzministeriums überhaupt zustande kam. Zweitens wurde es sehr kurzfristig vereinbart und es sollte – und das ist entscheidend – ausschliesslich um die Manipulationsvorwürfe gehen.»

markus braun
Legende: Markus Braun wird am Nachmittag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags, einer Art PUK, befragt. Keystone/Archiv

Durch Manipulation und Betrug wurden ja fast zwei Milliarden Euro erfunden. Niemand merkte was: Nicht der Aufsichtsrat, nicht der Wirtschaftsprüfer Ernest & Young und vor allem nicht die Bundesfinanzaufsicht (Bafin). Ihr macht Florian Toncar die schwersten Vorwürfe. Markus Braun habe aus diesem Gespräch im November 2019 wertvolle Schlüsse ziehen können, nämlich: «Trotz klarer Medienberichte, die den Betrug beschreiben, hat der deutsche Finanzaufseher offensichtlich noch keine Witterung aufgenommen, sondern ist noch weit davon weg, diese Vorwürfe wirklich ernst zu nehmen.»

Bafin nahm Wirecard in Schutz

Obwohl Gerüchte und Medienberichte bekannt waren, stützte die Bafin Wirecard. Mit Folgen: «Die Botschaft der deutschen Finanzaufsicht an den Markt war damit klar: Wir glauben an die Unschuld von Wirecard, dass das Unternehmen Opfer und nicht Täter ist. Genau weil die deutsche Finanzaufsicht diese Signale ausgesendet hat, haben viele Investoren auch 2019 und 2020 Wirecard noch vertraut, Geld geliehen und in die Aktien investiert.»

Die deutsche Finanzaufsicht, die deutschen Behörden haben nicht nur zu wenig gemacht, um den Betrug herauszufinden. Sie waren sogar – wahrscheinlich unfreiwillig – Teil des Betrugs.
Autor: Florian Toncar Mitglied des Untersuchungsausschusses

«Auf den Punkt gebracht, die deutsche Finanzaufsicht, die deutschen Behörden haben nicht nur zu wenig gemacht, um den Betrug herauszufinden. Sie waren sogar – wahrscheinlich unfreiwillig – Teil des Betrugs und haben Wirecard geholfen, die Geschichte weiter am Laufen zu halten.» Happige Vorwürfe. Mit der Befragung von Markus Braun nimmt der Wirecard-Skandal Fahrt auf.

Und Florian Toncar zeigt mit dem Finger vor allem auf das Finanzministerium. Er verlangt, dass Köpfe rollen, auch wenn das nicht zwingend der Finanzminister sein soll. Aber die Einschläge rücken näher an den Finanzminister ran. Toncar hat noch ein Ass im Ärmel: «Die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde hat einen Bericht zur deutschen Finanzaufsicht gemacht. Dort hat sie etwas Bemerkenswertes geschrieben, nämlich, dass der Einfluss des Bundesfinanzministeriums auf die Finanzaufsicht im Fall Wirecard beispiellos war und in seiner Grösse noch nie dagewesen.»

Rendez-vous vom 19.11.2020

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