- Tausende Flüchtlinge sind in den vergangenen Wochen von Libyen aus nach Italien gelangt. Die EU sucht intensiv nach Gegenmassnahmen.
- Doch von einer gemeinsamen Linie ist man weit entfernt, wie das Treffen der EU-Aussenminister in Brüssel zeigt.
- Stattdessen ist ein Streit um die Rettung von Bootsflüchtlingen vor Libyen entbrannt. Österreich fordert, die Mittelmeerroute ganz zu schliessen.
- Italien dagegen verlangt von den anderen EU-Ländern, auch ihre Häfen für Flüchtlingsboote zu öffnen, und blockiert kurzerhand die Verlängerung der EU-Marinemission «Sophia» vor Libyen.
- Ausfuhrbeschränkungen für Schlauchboote und Sanktionen gegen libysche Schleuser: Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Aussenminister einigen können.
Italien macht Druck
Eigentlich wollten die EU-Aussenminister in Brüssel über die Verlängerung der gemeinsamen Operation «Sophia» entscheiden, bei der EU-Schiffe vor der libyschen Küste patrouillieren, um Menschen zu retten und in italienische Häfen zu bringen. Aber plötzlich meldete Italien zusätzlichen Klärungsbedarf an, und so ist das Traktandum wieder von der Agenda verschwunden.
Auch wenn der Italienische Aussenminister Angelino Alfano das nicht so verstanden wissen möchte – in Brüssel gehen die meisten davon aus, dass Italien Zugeständnisse der anderen EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten erzwingen will.
Östrerreich markiert Härte
Der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz sieht sich dadurch in seiner harten Haltung bestätigt. «Die Rettung im Mittelmeer darf nicht verbunden sein mit dem Ticket nach Mitteleuropa. Wir müssen Italien dabei unterstützen, die Mittelmeerroute zu schliessen.»
Man müsse die Fähren mit den «illegalen Migranten» von den italienischen Inseln zum Festland stoppen, fordert Kurz. «Denn je mehr Fährenverkehr wir hier haben, desto mehr Menschen machen sich auf den Weg.»
Flüchtlingscamps wie Konzentrationslager
Als zweite wichtige Massnahme, um die Mittelmeerroute zu schliessen, erwähnt Kurz die Zusammenarbeit mit Libyen. Doch gibt es dazu auch kritische Stimmen.
Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn warnte davor, gerettete Flüchtlinge nach Libyen zurückzubringen, solange sich die Zustände in den dortigen Aufnahmelagern nicht verbesserten. «Das sind zum Teil Konzentrationslager, wo Menschen vergewaltigt werden, wo kein Recht gilt.»
Mehr Geld für eine Verbesserung in Libyen
Wenn die EU in der Flüchtlingspolitik nicht ihre Werte verraten wolle, müsse sie deutlich mehr Geld in Hand nehmen und der UNO helfen, in Libyen Lager nach internationalen Standards zu errichten, betont Asselborn.
Beim Empfang der Menschen, die aus Libyen kämen, und vor allem bei der Rückschaffung der Menschen, die nicht unter die Genfer Konvention fielen, brauche es europäische Strukturen.
Abschreckung statt Aufbauhilfe
Doch bei diesen europäischen Lösungen happert es massiv – deshalb der Versuch Italiens, mehr Druck auf die anderen Mitgliedstaaten auszuüben und deshalb auch das Resultat der heutigen Sitzung.
Zwar betonen die Aussenminister, dass die Lage in Libyen verbessert werden müsse. Sie setzen aber vor allem auf Abschreckung – darüber freut sich Sebastian Kurz, auch wenn er mit seiner radikalen Lösung noch nicht durchgdrungen ist.
Natürlich arbeitet die EU eng mit der Flüchtlingsorganisation UNHCR und der internationalen Organisation für Migration zusammen, um die Lage in den libyschen Lagern zu vessern, aber das dauert lange. Deshalb müsste die EU auch bereit sein, Italien stärker zu unterstützen, und zwar bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Bis anhin war der Wille dazu allerdings beschränkt.