- Wegen der Flüchtlings-Krise droht Italien der EU offenbar mit Konsequenzen, falls dem Land nicht ein Teil der Last abgenommen wird.
- Rom erwäge, Schiffe von Hilfsorganisationen mit geretteten Flüchtlingen an Bord daran zu hindern, in italienischen Häfen anzulegen.
- Schiffe, die für die EU-Grenzagentur Frontex im Einsatz stünden, wären nicht von dieser Massnahme betroffen.
Italien ist das Hauptankunftsland für Bootsflüchtlinge in Europa. Die Regierung ruft schon lange nach mehr Hilfe. Den Booten von Hilfsorganisationen könnte die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt werden, sollte es nicht mehr Unterstützung von der EU geben, heisst es aus Regierungskreisen in Rom. Dabei geht es um Rettungsschiffe, die nicht unter italienischer Flagge fahren.
Italien will mit der Drohung von anderen EU-Staaten eine fairere Lastenverteilung einfordern. Im Gegensatz zu ersten Informationen sollen Schiffe der EU-Mission «Operation Sophia» oder der EU-Grenzagentur Frontex von dem möglichen Verbot nicht betroffen sein. Wie sich dieses Verbot rechtlich umsetzen liesse, blieb vorerst unklar.
Rom klagt seine Sorgen in Brüssel
Ärzte ohne Grenzen, die eine der grössten Missionen im Mittelmeer fahren, erklärten, die oft verletzten Menschen müssten in den nächstgelegenen und in einen sicheren Hafen gebracht werden. Rein geografisch trifft es damit vor allem Italien.
Der italienische EU-Botschafter Maurizio Massari habe die «Notlage» seines Landes darstellen wollen und deshalb am Mittwoch EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos getroffen, erklärte ein EU-Diplomat in Brüssel. Es handle sich um einen formalen diplomatischen Schritt, hiess es in Rom.
EU betont humanitäre Verpflichtung, Leben zu retten
Avramopoulos brachte nach dem Treffen seine Unterstützung für Italien und den «vorbildlichen» Umgang des Landes mit der Flüchtlingskrise zum Ausdruck. Seine Behörde sei bereit, der Regierung in Rom noch stärker unter die Arme zu greifen, «falls nötig auch mit erheblicher finanzieller Unterstützung».
Avramopoulos betonte, es gelte, stärker mit Herkunfts- und Transitländern zusammenzuarbeiten, um den Zuzug von Migranten zu mindern. «Wir alle haben eine humanitäre Verpflichtung, Leben zu retten. Wir können natürlich nicht eine Handvoll EU-Staaten damit alleine lassen», betonte der EU-Kommissar. Darüber müsse aber in erster Linie im Kreis der EU-Staaten beraten werden, unter anderem beim Treffen der europäischen Innen- und Justizminister in der kommenenden Woche im estnischen Tallinn.
Anlass des Treffens war die hohe Zahl der Rettungsaktionen in den vergangenen beiden Tagen. Die Migranten würden nun an Land gebracht. Die Aufnahmekapazitäten seien am Limit, erklärte ein EU-Diplomat, zudem gebe es auch Auswirkungen auf das «soziale und politische Leben» im Land. Der Botschafter habe deutlich gemacht, dass es schwierig sei für die Behörden, weitere Anlandungen zu erlauben.
Allein in den vergangenen Tagen wurden im Mittelmeer mehr als 10'000 Menschen gerettet, die nun auf dem Weg nach Italien sind. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex erklärte, im laufenden Jahr sei dies die höchste Zahl Geretteter binnen einer so kurzen Zeitspanne. Die Migranten werden in der Regel vor der libyschen Küste von der italienischen Küstenwache, den Schiffen der EU-Mission oder von Hilfsorganisationen gerettet. Seit Beginn des Jahres kamen in Italien mehr als 73'000 Menschen an, rund 14 Prozent mehr als im Vorjahr.