Hunderte Menschen in selbstgebastelten Hütten aus Karton. Überall Abfall. So sah es im griechischen Flüchtlingslager Moria aus. Und dann kam das Feuer. Heute vor einem Jahr brannte das Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos ab. Die EU kündigte danach an, die Situation für die Flüchtlinge in Griechenland zu verbessern – mit neuen Lagern auf fünf Inseln.
Das erste wird am Samstag auf Samos eröffnet. Rodothea Seralidou hat sich vor Ort einen Überblick verschafft. Das neue Lager liege nur rund acht Kilometer von der Stadt Vathy entfernt, berichtet die Journalistin. Und trotzdem sei es in den Hügeln abseits der Küste nur schwer zu finden. Das Lager selbst ist, wenn man so will, «schnörkellos»: Weisse Wohncontainer, doppelter Nato-Zaun, weitherum keine Menschenseele.
Eine Verbesserung sei die Situation insofern, als bislang nur wenige Geflüchtete auf den griechischen Inseln den «Luxus» gehabt hätten, in Wohncontainern untergebracht zu werden. «Die meisten lebten in Zelten und selbstgebauten Hütten. Das war auch das grösste Problem, das mir diese Menschen immer wieder beschrieben haben – die schlimmen Lebensbedingungen», sagt Seralidou.
Konkret: Kein Schutz vor Wind und Wetter, kein Strom, Wassermangel, keine funktionierende Abfallentsorgung. In den neuen Lagern soll damit Schluss sein, wenn es nach der EU geht: «Die Menschen sollen alle in Wohncontainern unterkommen, sie sollen ausreichend Wasser, Strom und eine Klimaanlage haben, damit sie im Winter heizen und im Sommer den Container kühlen können.» Zudem soll es Bildungsangebote und ausreichende medizinische Versorgung geben.
NGOs kritisieren «Freiluft-Gefängnisse»
Die EU steuert 260 Millionen Euro für fünf neue Lager und die Renovation eines bestehenden Camps auf den griechischen Inseln bei. Vonseiten von NGOs und Flüchtlingen gibt es aber auch Kritik. Für Unmut sorgt, dass die Lager hermetisch abgeriegelt sind.
Das wird auch im Lager auf Samos deutlich. Zwischen den beiden Nato-Zäunen liegt eine Strasse, auf der künftig die Polizei patrouillieren soll. Ins Camp selbst kommen nur Mitarbeitende und Angehörige der dort offiziell tätigen NGOs. Der zweite Kritikpunkt ist, dass sich die Camps weit weg von bewohnten Gegenden befinden.
Laut dem griechischen Migrationsminister soll durch die geschlossenen Lager die Sicherheit erhöht werden. In erster Linie würden die Kontrollen den Geflüchteten selber zugutekommen – denn niemand könne sich unbefugt Zutritt verschaffen.
Die geschlossenen Lager hinter doppeltem Nato-Zaun könnten traumatisierte Menschen zusätzlich belasten.
«Viele Geflüchtete sagen aber, dass sie sich schon in den alten Camps nicht von Aussenstehenden bedroht fühlten», weiss Seralidou. «Wenn es Auseinandersetzungen gab, dann eher zwischen den Flüchtlingen und Migranten selber.» Gerade zu Zeiten, in denen die Lager überfüllt waren, kam es wiederholt zu Spannungen. Die Polizei, so die Kritik der Geflüchteten, sei in solchen Fällen zu wenig eingeschritten.
Aus diesen Gründen glaubten die Geflüchteten nicht daran, dass die Massnahmen ihrem eigenen Schutz dienten, schliesst die Journalistin. «Sie haben eher Angst, dass die Camps eine Art Hochsicherheitsgefängnis sein werden, die sie nicht mehr verlassen werden.» Auch Ärzte ohne Grenzen zieht den Vergleich zu «Freiluft-Gefängnissen».
Dazu kommt: Durch die Abschottung wird jeder Kontakt mit der griechischen Gesellschaft und damit auch jede Integration verunmöglicht. «Die geschlossenen Lager hinter doppeltem Nato-Zaun könnten auch traumatisierte Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, zusätzlich belasten», so die Journalistin.