So funktioniert der Flüchtlingspakt: Im Zentrum des Flüchtlingsabkommens steht ein Tauschhandel. Die EU darf alle Migranten, die seit dem 20. März 2016 illegal auf die griechischen Inseln übergesetzt haben, in die Türkei zurückschicken. Im Gegenzug kann für jeden in die Türkei zurückgeschickten Syrer seit dem 4. April 2016 ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen. Sicher vor einer Abschiebung in die Türkei sind lediglich Asylbewerber, die nachweisen können, dass sie dort verfolgt werden. Alle Flüchtlinge können in Griechenland Asyl beantragen und bis zum Abschluss des Verfahrens in dem EU-Land verbleiben. Bisher investierte die EU drei Milliarden Euro in den Flüchtlingspakt.
So geht es weiter mit dem Flüchtlingspakt: Nun sollen nochmals drei Milliarden Euro von der EU in die Türkei fliessen. Die Begründung: Das Flüchtlingsabkommen funktioniere gut. Allerdings sei noch unklar, so ARD-Korrespondent Michael Lehmann gegenüber SRF News, ob das Geld wie gehabt überwiesen werde: «Die EU-Staaten müssen noch der Art und Weise zustimmen, wie der Betrag beschafft wird.» Deutschland und Frankreich etwa möchten das Geld vollständig über den EU-Haushalt abwickeln – ob es dagegen Widerstand gebe, müsse abgewartet werden.
Der Flüchtlingspakt in Zahlen: Weil die Asylverfahren in Griechenland schleppend verlaufen, wurden unter dem Abkommen mit der EU nach Angaben der EU-Kommission nur 1564 Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt (Stand 12. März 2018). Weitere 600 Flüchtlinge wurden unter einem bilateralen Abkommen Griechenlands mit der Türkei zurückgeführt. Da die Türkei die Verzögerungen nicht zu verschulden hat, ist die EU in Vorleistung getreten. Sie hat 12'489 Syrer aufgenommen, also fast die sechsfache Anzahl der insgesamt 2164 zurückgeführten Flüchtlinge.
Diese EU-Länder haben Syrer aufgenommen: Die Verteilung der von der EU unter dem Flüchtlingsabkommen aufgenommenen Syrer auf die einzelnen Länder ist nicht ausgeglichen. Deutschland hat mit 4313 Flüchtlingen die mit Abstand meisten aufgenommen, gefolgt von den Niederlanden (2608), Frankreich (1401) und Finnland (1002). Mehrere Mitgliedsstaaten haben unter diesem Abkommen keinen einzigen Flüchtling aufgenommen, darunter Ungarn, Polen, Tschechien, Bulgarien oder Dänemark.
So geht es den Flüchtlingen in der Türkei: Vor zwei Jahren war die Situation für die Flüchtlinge in der Türkei schlecht: überfüllte Camps, Perspektivlosigkeit, prekäre Versorgung. Jetzt sei die Situation «sehr unterschiedlich», sagt Korrespondent Lehmann: Zwar gebe es Vorzeigecamps, die Journalisten vorgeführt würden. «Dort hat es Schulen, die Versorgungslage ist relativ gut.» Allerdings sei «völlig unklar», wie es dem Grossteil der dreieinhalb Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei gehe: «Nach Schätzungen müssen sich 90 Prozent von ihnen irgendwie durchschlagen.»
Das Schleppergeschäft wuchert weiter: Das Abkommen sollte auch verhindern, dass Flüchtlinge die lebensgefährliche Überfahrt von der Türkei auf die griechischen Inseln auf sich nehmen. Allerdings existiere das Geschäft mit dem Menschenhandel nach wie vor, sagt Lehmann: «Schleuser überredeten selbst im Winter, wo das Meer rau und nochmal gefährlicher war, Menschen zur Überfahrt.» Einmal auf den griechischen Inseln angekommen, wo die Lage oft ebenfalls prekär sei, berichteten viele der Flüchtlinge von Gewalt, Unsicherheit und Verfolgung in der Türkei.
Das passiert mit den EU-Milliarden: Die finanzielle Unterstützung der EU summiert sich bald auf sechs Milliarden Euro. Trotzdem gibt es Klagen über die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in der Türkei. Das wirft die Frage auf, ob das Geld auch für den vorgesehenen Zweck eingesetzt wird. In der Tat sei zu befürchten, dass das Geld nicht vollumfänglich den Flüchtlingen zugute komme, sagt Lehmann: «Im ‹System Erdogan› gibt es diesbezüglich nur wenig Kontrolle.» Der ARD-Korrespondent bezweifelt, dass die EU wirklich nachverfolgen kann, wo ihre Gelder schlussendlich landen.