«Das Ding wird abgerissen und neu gebaut!» Gemeint ist der Berliner Flughafen und gesagt hat es der Lufthansa-Vorstand Thorsten Dirks an einer Unternehmertagung. Der Flughafen Berlin hätte bereits 2012 den Betrieb aufnehmen sollen. Grobe Probleme – unter anderem mit elektrischen Anlagen – haben die Eröffnung bis heute verzögert. Zwei Milliarden sollte das Projekt kosten, heute sind es über sieben. Journalist Gerd Appenzeller, ehemaliger Herausgeber des Berliner «Tagesspiegels», hält dennoch nichts von einem Abriss.
SRF News: Alles auf Null – Ist so ein Abriss realistisch?
Gerd Appenzeller: Das ist völliger Quatsch, weil der Flughafen – so hoffen wir alle – in zwei Jahren eröffnet wird und mit dem Innenausbau so weit ist, dass kein vernünftiger Mensch auf die Idee kommt, ihn heute abzureissen. Ausserdem ist er viel zu schön.
Sie können der Idee von Lufthansa-Vorstandsmitglied Thorsten Dirks also nichts abgewinnen?
Nein. Ich glaube, wenn er ernsthaft darüber nachdenken würde – und nicht in der gemütlichen Atmosphäre einer Herrengesellschaft – würde er es heute wahrscheinlich nicht mehr wiederholen.
Der neue Flughafen in Berlin hätte bereits 2012 eröffnet werden sollen, die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen. Hätte man nicht früher die Notbremse ziehen müssen?
Im Nachhinein ist das sicherlich richtig. Hätten wir 2012 den Kenntnisstand von heute gehabt, hätte man damals mit hoher Sicherheit sagen müssen: «Lasst uns alles an Installation – Elektrik, Elektronik, Lüftung – herausreissen und nochmals von vorne anfangen.» Aber damals haben sich die Offiziellen selber und die Öffentlichkeit über das Ausmass des wahren Desasters belogen. Heute im Nachhinein zu sagen «man hätte damals müssen...» bringt nicht viel.
Damals haben sich die Offiziellen selber und die Öffentlichkeit über das Ausmass des wahren Desasters belogen.
Die Wiener waren da cleverer als die Berliner: Beim Flughafenausbau in Schwechat hatten sie eine ähnliche Situation gehabt – mit elektrischen und elektronischen Installation, die überhaupt nicht funktionierten. Die Bauherren hatten den Mut, einen Baustopp zu verhängen und nochmals von vorne anzufangen. Heute funktioniert dieser Flughafen wunderbar.
Nun wurde bekannt, dass im Flughafen Berlin 750 installierte Monitore für die Fluggastinformation bereits ausgetauscht werden müssen. Die Geräte haben das Ende ihrer Lebenszeit erreicht, ohne dass der Flughafen eröffnet wurde. Das ist schon eindrücklich.
Ich frage mich, ob das nur ein typisch deutsches Problem ist. Das einzige, was in diesem Flughafen in der elektrischen Installation neben den Glühbirnen offenbar von Anfang an funktioniert hat, waren die Monitore. Und die hat man seit dem eigentlichen Eröffnungstermin 2012 brav laufen lassen – 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche. Jetzt sind sie sechs Jahre am Netz. Nun wurde festgestellt, dass die erwartbare Lebensdauer damit erreicht worden ist. Deshalb werden sie herausgerissen.
Das Lufthansa-Vorstandsmitglied Thorsten Dirks hat gesagt, man sollte den Flughafen abreissen. Die Lufthansa hat sich von der Aussage distanziert. War es reines Imponiergehabe des Managers?
Ich war nicht dabei. Aber man kennt ja diese Herrenrunden, wo Männer von mehr oder minderer Bedeutung innerhalb der Wirtschaft sich gegenseitig klarmachen wollen, wie wichtig sie sind. Da lässt man schon mal solche Bemerkungen krachledern.
Man kennt ja diese Herrenrunden, wo Männer von mehr oder minderer Bedeutung innerhalb der Wirtschaft sich gegenseitig klarmachen wollen, wie wichtig sie sind.
Das gefällt jedem, die Leute lachen – und am nächsten Tag kommt eine gewisse Ernüchterung, wenn man merkt, was man denn eigentlich gesagt hat.
Vom Abriss kann also keine Rede sein, das Projekt läuft weiter. Ist die geplante Eröffnung im Oktober 2020 realistisch?
Nach den vielen verschobenen Eröffnungsterminen wäre es reines Kaffeesatzlesen, wenn ich sagen würde: «Doch doch, das klappt.» Also hoffen wir mal das Beste.
Das Gespräch führte Joël Hafner