Die Tragödie:
- Ein Flugzeug der bolivianischen Gesellschaft Lamia ist in Kolumbien abgestürzt.
- Laut der Luftfahrbehörde überlebten 6 der insgesamt 71 Menschen an Bord. 4 Personen traten den Flug nicht an.
- Unter den Passagieren waren Spieler des Fussballteams Chapecoense.
- Die in der höchsten brasilianischen Liga spielende Mannschaft war auf dem Weg zum Finale des Südamerika-Cups in Kolumbien.
SRF News: Wie gross ist die Betroffenheit in Brasilien nach dem Unglück?
Tjerk Brühwiler: Die ist immens. Brasilien ist heute Morgen im Schock erwacht. Das Team von Chapecoense ist ein Sympathieträger in der brasilianischen Fussballwelt. Und nun ist diese Mannschaft auf einen Schlag ausgelöscht worden.
Das Team war auf dem Weg nach Kolumbien, wo es in Medellin das Hinspiel im Final der Coppa Sudamericana hätte spielen sollen. Wäre also alles für ein riesiges Fussballfest bereit gewesen?
Auf jeden Fall. Chapecoense ist eine absolute Sensation im brasilianischen Fussball. Schon der Finaleinzug in die Coppa Sudamericana gleicht einem Märchen: Der Underdog warf das grosse argentinische Team San Lorenzo aus dem Wettbewerb – allein das war schon eine Sensation.
Hier in Europa kannte bislang kaum jemand den eher kleinen Verein von Chapecoense. Wieso war dieses Team in letzter Zeit so erfolgreich?
Es ist einer der wenigen Vereine in Brasilien, der trotz des ansehlichen sportlichen Erfolgs am Boden geblieben ist. Als er vor gut 40 Jahren gegründet wurde war das Ziel, auch in der Provinz guten Fussball zu spielen und zu zeigen. Chapecoense stammt aus Chapeco, einer Kleinstadt im Innern des Gliedstaats St. Catarina. Dort gab es vorher keinen Profifussball. Der Club blieb immer sehr bescheiden und realistisch. Ohne grosse Stars hat er umgerechnet nur rund 1,5 Millionen Franken Schulden und ist damit der am geringsten verschuldete Verein in der ersten brasilianischen Liga.
Das Unglück wirft einen sehr dunklen Schatten über den brasilianischen Fussball.
Ist der Verein deshalb für andere auch ein Vorbild?
Absolut. An dieser Bescheidenheit und der straffen Haushaltsführung könnten sich viele andere Fussballvereine in Brasilien eine Scheibe abschneiden. So besteht in Chapecoense etwa eine Lohnobergrenze, die bei rund 30'000 Franken liegt. Verglichen mit anderen brasilianischen Clubs, die teilweise Millionengehälter bezahlen und hunderte Millionen Schulden angehäuft haben, ist dies durchaus vorbildlich.
Was bedeutet das Unglück und der Verlust einer ganzen Mannschaft für brasilianischen Fussball?
Das ist schwierig zu sagen, derzeit sind einfach alle schockiert. Die brasilianische Meisterschaft befindet sich in der letzten Runde und ist bereits entschieden. Nun hat sie ein tragisches Ende erfahren. Das Unglück wirft einen sehr dunklen Schatten über den brasilianischen Fussball. Der Schock wird sicher noch mehrere Wochen lang anhalten.
Das Gespräch führte Daniel Eisner.