In Australien wird am 21. Mai ein neues Parlament gewählt. In den Umfragen liegt die oppositionelle Labor-Partei klar vorne – wie schon vor den letzten Wahlen 2019. Doch damals führte eine intensive Medienkampagne dazu, dass die Konservativen die Wahl doch noch gewannen. Dasselbe Szenario droht auch dieses Mal, wie SRF-Australienkorrespondent Urs Wälterlin schildert.
SRF News: Zuerst ein Blick zurück auf die letzten Wahlen im 2019 – wie sehr hatten da die Medien die Finger im Spiel?
Urs Wälterlin: Sie haben damals den Wahlausgang in letzter Minute bestimmt. Der von Rupert Murdoch kontrollierte Medienkonzern News Corp fuhr eine aggressive Kampagne gegen die Labor-Partei. Sogar der konservative Premier Scott Morrison hatte nicht mehr mit einem Sieg gerechnet und von einem «Wunder» gesprochen. Doch ein Wunder ist das nicht unbedingt: 70 Prozent der Printmedien sowie eine grosse TV-Station in Australien werden von News Corp kontrolliert.
Wie berichten Murdochs Medien über den aktuellen Wahlkampf?
Es sind klare Parallelen zu 2019 sichtbar. Auch diesmal wird Labor-Oppositionsführer Anthony Albanese verunglimpft und als Dorftrottel dargestellt, die Politik der Labor-Partei als unrealistisch und grün beschrieben.
Ehemalige Politikerinnen und Politiker haben erfolgreich eine Petition lanciert und fordern eine unabhängige Untersuchung der Medienvielfalt in Australien. Hat das irgendwelche Folgen?
Bereits haben 500'000 Menschen unterschrieben, die Debatte um Macht und Stellung des Murdoch-Medienkonzerns ist also angeheizt. Die Initianten werfen News Corp vor, inzwischen wie eine politische Partei zu funktionieren.
Kritiker sagen, Newscorp funktioniere wie eine politische Partei.
Ex-Premierminister Kevin Rudd bezeichnete Murdoch sogar als «Krebsgeschwür an der Demokratie». Selbst aus den USA erhält Rudd Unterstützung: US-Präsident Joe Biden soll Murdoch in einem neuen Buch als «gefährlichsten Mann der Erde» bezeichnen.
Der Einfluss sozialer Medien wird immer grösser – kann da Murdoch mit seinen Zeitungen und der TV-Station die Wahl überhaupt noch entscheidend beeinflussen?
Auf jeden Fall. Zwar werden Facebook oder Twitter immer wichtiger bei der Meinungsbildung. Doch das trifft vor allem auf jüngere Menschen zu. Die älteren Australierinnen und Australier lesen immer noch die Zeitung – und die stammen meist vom Murdoch-Konzern. Konkurrenz bei der Presse gibt es kaum mehr – der zweite grosse Medienkonzern in Australien ist inzwischen auch in der Hand konservativer Besitzer.
Was denken Sie – können die Medien auch diese Wahl noch zugunsten der Konservativen wenden?
Sie versuchen es auf jeden Fall. Das Problem für sie ist jedoch Premierminister Scott Morrison: Die konservativen Medien tun sich schwer damit, ihn als Mann der Zukunft zu verkaufen. Kaum jemand in Australien mag Morrison noch. Er gilt selbst unter vielen seiner Parteifreunde als unehrlich und wenig vertrauenswürdig.
Schatzkanzler Frydenberg soll Morrison als Premierminister ablösen.
So werben die News-Corp-Medien inzwischen denn auch mit geballter Kraft für seinen möglichen Nachfolger, Schatzkanzler Josh Frydenberg. Er wird in den Zeitungen seitenlang in den höchsten Tönen gelobt. Der Tenor: Man müsse bloss konservativ wählen, dann könne Frydenberg Morrison als Premier ablösen. Für Kritiker zeigt gerade dieses Beispiel: Wenn ein Land eine zu grosse Medienkonzentration zulässt, leiden Meinungsvielfalt und Meinungsbildung – und damit auch die Demokratie.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.