Hurrikan «Dorian» hat die Karibikinsel mit voller Wucht getroffen. Zahlreiche Menschen kamen ums Leben. Zudem entwurzelten die Winde und Überschwemmungen Bäume und zerstörten ganze Gebäude.
Die Regierung spricht denn auch von der «schwersten Krise» in der Geschichte des Landes. SRF-Korrespondent Thomas von Grünigen befindet sich mittlerweile auf der Karibikinsel und konnte sich einen ersten Eindruck verschaffen.
SRF News: Thomas von Grünigen, Hurrikan «Dorian» ist über die Bahamas gezogen und hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Wie präsentiert sich die Lage vor Ort?
Thomas von Grünigen: Es ist nach wie vor sehr schwierig, sich ein Bild zu machen. Flüge in die besonders schwer betroffenen Gebiete waren bisher kaum möglich. Die Menschen befinden sich in grosser Not. Das Wasser ist verschmutzt, manche haben kaum mehr zu essen und zu trinken. Tausende haben ihr Obdach verloren, selbst Notunterkünfte wurden überflutet.
Sie sagen, Flüge in die betroffenen Gebiete seien kaum möglich. Wie kommt denn die Soforthilfe bei den Menschen überhaupt an?
Insbesondere die US-Navy hat einige Einsätze geflogen, um Menschen zu retten. Ansonsten kommt die Hilfe nur schleppend voran. Für Schiffe war es lange Zeit nicht möglich, in die Gegend zu fahren, weil die Wellen zu heftig waren – und Helikopter konnten nicht überall landen, weil alles unter Wasser stand.
Für Schiffe war es lange Zeit nicht möglich, in die Gegend zu fahren, weil die Wellen zu heftig waren.
Funktioniert das Krisenmanagement also nicht?
Jetzt, wo der Sturm endlich weitergezogen ist, kommt die Hilfe allmählich voran. Das Ausmass der Schäden ist aber so gross, dass viel umfangreichere Hilfsmissionen nötig sein werden. Die Behörden wirken bisher etwas überfordert, aber angesichts des riesigen Schadens und des schwer zugänglichen Schadensgebiets ist das nicht verwunderlich.
Schon früher wurden die Bahamas von Hurrikans getroffen. Was unterscheidet Hurrikan «Dorian» von früheren Wirbelstürmen?
Es war der stärkste Hurrikan, der seit Messbeginn auf die Bahamas getroffen ist. Ausserdem blieb der Sturm über viele Stunden praktisch stationär über der gleichen Stelle in den nördlichen Bahamas stehen. Das ist sehr ungewöhnlich. In einigen Gegenden wüteten deshalb unablässig und stundenlang katastrophale Sturmwinde, die zudem das Meerwasser auf die Insel schoben. Eine verheerende Situation.
Der Sturm blieb über viele Stunden praktisch stationär über der gleichen Stelle in den nördlichen Bahamas stehen. Das ist sehr ungewöhnlich.
Wie gehen die Menschen auf den Bahamas mit den Konsequenzen des Rekord-Hurrikans um?
Die Menschen helfen sich in erster Linie selber, weil die Behörden noch nicht gross eingreifen konnten. Wir hören von einer sehr grossen Solidarität vor Ort. Man hilft sich gegenseitig, Vermisste zu suchen. Es gibt allerdings auch einzelne Meldungen über Plünderungen und Gewalt. Die Behörden bestätigen dies nur indirekt und wir hören, dass viele Menschen erschöpft sind. Offenbar sind manche auch traumatisiert, weil der Sturm selbst für karibische Verhältnisse sehr heftig war und lange angedauert hat.
Das Gespräch führte Vasilije Mustur