Das Wichtigste in Kürze
- Die Sozialisten in Spanien wollen die Franco-Gedenkstätte «Valle de los Caidos» in ein Franco-kritisches Museum umwandeln.
- Damit soll die Geschichte der Jahrzente faschistischer Diktatur endlich auch von Seiten des Staates aufgearbeitet werden.
- Doch die Konservative Partei macht bei den Plänen nicht mit – eine wirkliche Aufarbeitung der dunklen Jahrzehnte sei deshalb unwahrscheinlch, sagt der Journalist Hans-Günter Kellner, der in Madrid lebt.
SRF News: Wie sehen die Pläne zur Umwandlung von «Valle de los Caidos» in ein Franco-kritisches Museum konkret aus?
Hans-Günter Kellner: Die sterblichen Überreste von Diktator Franco sollen aus seinem Grab in «Valle de los Caidos» entfernt werden, wie auch jene des Gründers der Franco-Partei Falange, José Antonio. Beide sollen an anderer Stelle bestattet werden. Dieses Vorhaben ist der Hauptpunkt der Pläne und es sorgt auch für das grösste Aufsehen in Spanien. Zudem soll das Monument «Valle de los Caidos» zu einem Museum umgestaltet werden, das weniger an die Grösse des Franco-Regimes erinnert, als vielmehr daran, dass der Repression des faschistischen Regimes bis 1975 Hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen sind. Unter anderem wurden in dieser Zeit auch armen Frauen die Kinder nach der Geburt weggenommen und Vertretern des Regimes gegeben. Das alles soll in dem geplanten Museum aufgearbeitet werden
Der historischen Aufarbeitung der Franco-Zeit von 1936 bis 1975 ist 1977 ein Riegel geschoben worden.
Ist die Gedenkstätte heute noch immer ein Pilgerort für Franco-Anhänger?
Seit 2007 ist es verboten, dass dort politische Veranstaltungen stattfinden dürfen. Es ist dies der maximale Konsens, den die spanischen Parteien bezüglich «Valle de los Caidos» bislang erreichen konnten. Trotzdem treffen sich jeweils am 20. November, dem Todestag Francos, seine Anhänger bei der Gedenkstätte, auch wenn es nicht mehr sehr viele sind, und sie auf dem riesigen Aufmarschplatz vor der Basilika jeweils etwas verloren aussehen. Noch immer werden dort ausserdem sporadisch katholische Gottesdienste zum Gedenken an den Diktator abgehalten, und auf seinem Grab hat es stets frische Blumen.
Aus dieser Gedenkstätte in Zentralspanien soll nun ein Franco-kritisches Museum werden. Wieso kommt diese Forderung gerade jetzt?
Das Gesetz zum historischen Gedächtnis wird nun zehn Jahre alt, deshalb drängen die Sozialisten darauf, endlich vorwärts zu machen, wenigstens was die Franco-Gedenkstätte angeht. Bislang hat sich das Gesetz nämlich als zahnloser Tiger zur Aufarbeitung der Franco-Diktatur erwiesen. Vor allem aber haben die Sozialisten mit der politischen Bewegung Podemos jetzt eine starke Kraft an ihrer Seite, da müssen sie das linke Lager auch besser bedienen. In der Sache muss jetzt etwas gehen.
Das Gesetz zum Historischen Gedächtnis von 2007 blieb ein zahnloser Tiger.
Ganz allgemein ist die Franco-Zeit immer noch schlecht aufgearbeitet, vor allem, was die vielen im Namen der Diktatur verübten Verbrechen angeht. Woran liegt das?
Das hat verschiedene Gründe: 1977 wurde ein Amnestiegesetz verabschiedet – eine Forderung der Sozialisten. Damit sollten die vielen, sich nach dem Tod Francos und dem Ende der Diktatur 1975 noch immer in Haft befindenden Oppositionellen und Gewerkschafter amnestiert werden und freikommen. Man hat damals aber nicht daran gedacht, dass auch die Rechten unter die Amnestie fielen. Der historischen Aufarbeitung der Franco-Zeit von 1936 bis 1975 ist dadurch ein Riegel geschoben worden. Auch war die Demokratisierung Spaniens nach 1975 kein Bruch mit dem alten Regime, sondern ein Übergang, der im Konsens mit den rechten Kräften – Faschisten und National-Katholiken – vonstatten ging. Die Losung damals lautete, nach vorne zu schauen und sich zu versöhnen, und nicht zurückzuschauen. Deshalb blieb vieles unaufgearbeitet.
Kann die Aufarbeitung der Franco-Zeit in Spanien mit der Umwandlung der Gedenkstätte in «Valle de los Caidos» in ein Museum jetzt endlich angegangen werden? Ist das jetzt ein Wendepunkt?
Ein Wendepunkt wäre es allenfalls, wenn auch die konservative Volkspartei hinter den Plänen stehen würde. Allerdings muss man auch sagen, dass die Aufarbeitung der Franco-Zeit gesellschaftlich seit 15 oder 20 Jahren vorankommt. So suchen die Angehörigen nach Tausenden in Strassengräbern verscharrten Repressionsopfern. Dadurch ist das Thema ständig in den Medien und die Gesellschaft muss sich damit auseinandersetzen. Allerdings bleibt der Staat dabei aussen vor: Die Angehörigen bestreiten ihre Suche mit privaten Mitteln, vom Staat gibt es dafür kein Geld. Unterstützt werden sie immerhin aus dem Ausland, so kommen Spenden aus der Schweiz, aus Deutschland oder aus den USA. Eine echte Aufarbeitung in Spanien – auch politisch – ist aber nur möglich, wenn auch die rechten Kräfte damit einverstanden wären. Einen solchen Konsens sehe ich derzeit allerdings nicht.
Das Gespräch führte Miriam Knecht.