Nach dem ersten Wahlgang in Frankreich betonen die europäischen Zeitungen die Tragweite der Entscheidung – für Frankreich wie für Europa.
Internationale Medien
«Le Monde» aus Paris: «Es ist historisch: Seit den Anfängen der Fünften Republik spielte sich das politische Leben Frankreichs um zwei grosse Parteien ab, eine links und eine rechts. (...) Das Jahr 2017 ist in dieser Hinsicht ein Bruch: Niemals in der Geschichte haben die beiden Hauptformationen unseres politischen Lebens zusammengerechnet ein so schwaches Ergebnis eingefahren.»
«Süddeutsche Zeitung» aus München: «Nach Le Pens Ergebnis gilt: Die rechtspopulistische Welle in Europa ist gebrochen. Wie bei der Präsidentschaftswahl in Österreich und der Parlamentswahl in den Niederlanden bleiben auch die französischen Rechtspopulisten hinter den eigenen Erwartungen zurück. Europa bleibt, so denn sich alle Prognosen und Wahlerfahrungen der Vergangenheit in zwei Wochen bewahrheiten, der Kollaps Frankreichs und mithin gar der Europäischen Union erspart.»
«El Mundo» aus Madrid: «Sollte es keine grossen Überraschungen geben, wird Emmanuel Macron, ein 39-Jähriger, der keine andere Erfahrung besitzt, als zwei Jahre lang Wirtschaftsminister unter Präsident François Hollande gewesen zu sein, der nächste Bewohner des Élyséepalastes sein.»
«El País» aus Madrid: «Die Wahl wird eindeutig sein. Weder gibt es die Gefahr einer Verwechslung noch Gemeinsamkeiten beider Kandidaten. Es handelt sich um zwei gegensätzliche Vorschläge für die Zukunft Frankreichs und Europas. Der nächste Präsident wird entweder ein Ex-Banker mit geringer Erfahrung und einer europäischen und liberalen Botschaft sein oder die Erbin der Ultrarechten, die einen Austritt aus der EU befürwortet.»
Schweizer Zeitungen
«Neue Zürcher Zeitung»: «Die Präsidentenwahl in Frankreich wird zum Plebiszit über die Europäische Union. (...) Nicht nur haben die Kandidaten beider Parteien nicht überzeugt, es ist auch die Strafe für zehn Jahre Stillstand unter den Präsidenten Sarkozy und Hollande. (...) ein Wahlsieg Le Pens liegt im Bereich des Möglichen – falls genügend enttäuschte Bürgerliche zu ihr überlaufen und genügend enttäuschte Linke sich der Stimme enthalten.»
«Tages-Anzeiger» / «Bund»: «Es wäre eine gewaltige Überraschung, wenn es nun in Frankreich nicht zu einem politisch-sozialen Schulterschluss käme, um Marine Le Pen als Präsidentin zu verhindern. (...) Das Resultat des ersten Durchgangs zeigt zwar den Verdruss der Franzosen gegenüber der etablierten Politik, die Unzufriedenheit mit den ökonomischen und sozialen Zuständen (...) Und trotzdem haben die Stimmbürger mit Macron einen Kandidaten in die Favoritenrolle versetzt, der von seiner Herkunft und Biographie her ein typischer Exponent des Establishments ist.»
«Le Temps»: Der erste Wahlgang in Frankreich hat «eine tiefgreifende Veränderung» gebracht. Die Welle der Unzufriedenheit wird «die Konturen des Landes langfristig verändern», denn «die politische Software der fünften Republik ist kaputt». «Die Wut auf die traditionellen Parteien, die Desillusionierung gegenüber korrupten Politiker und der Wille, etwas anderes auszuprobieren, haben zur Wahl der beiden Persönlichkeiten geführt», deren Visionen sich radikal widersprechen.
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