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Franziskus und die Weltpolitik Papst ohne Plan

Nach römisch-katholischer Lehre ist der Papst in Glaubensfragen unfehlbar. Doch als Staatsmann steht er in der Kritik wie noch nie.

So berichteten palästinensische Familien, Papst Franziskus habe im Gespräch mit ihnen den Krieg im Gazastreifen als «Völkermord» bezeichnet, was vom Vatikan nicht bestätigt, aber auch nicht klar dementiert wurde. Seine Positionsbezüge führten in Israel zu einem Sturm der Entrüstung, der Papst sei anti-israelisch und schade dem christlich-jüdischen Verhältnis.

In der Ukraine sorgte der Papst für Entsetzen, weil er russische Katholikinnen und Katholiken ermuntert hatte, sich als Erben «Grossrusslands» zu sehen. Mehr noch: «Das Bellen der Nato an Russlands Tür» habe den Überfall auf die Ukraine «vielleicht begünstigt», befand der Papst. Damit, so seine Kritikerinnen und Kritiker, habe sich der Papst zum Fürsprecher von Autokratien wie Russland gemacht.

Eine unmögliche Aufgabe

Kurzum, dem Papst macht nicht nur die Vielzahl von Finanz- und Missbrauchsskandalen in seiner Weltkirche zu schaffen, sondern auch die Weltlage. Als Krisenvermittler kann er kaum noch Erfolge verbuchen.

Wobei er einen der unmöglichsten Jobs der Welt hat. Als Kirchenoberhaupt ist er moralische Autorität, als Staatsoberhaupt im Vatikan der letzte absolute Monarch Europas. Doch vielen ist unklar, was für einen Erfolg er sich von seiner Politik verspricht.

Diplomatische Beziehungen mit 183 Staaten

Als Chef des sogenannten Heiligen Stuhls verfügt der Papst über einen Apparat, der seinesgleichen sucht. In fast jedem Winkel der Welt hat er Personal, auch in Krisen- und Kriegsgebieten. Denn Priester und Schwestern bleiben vor Ort, wenn Diplomatinnen und Hilfswerksmitarbeiter längst das Weite gesucht haben. Das macht die römisch-katholische Kirche aus Expertensicht zu einem der besten Geheimdienste der Welt. Zu 183 Staaten unterhält der Vatikan diplomatische Beziehungen, mehr als die USA.

Vor allem aber kann sich der Papst an knapp 1.4 Milliarden Katholikinnen und Katholiken rund um den Erdball richten. Offiziell stehen die Neutralität und der Frieden im Zentrum päpstlicher Diplomatie: vermitteln, Krieg verhindern, für Ausgleich sorgen. Ziele, denen manche Amtsinhaber gerne einen politischen Stempel aufdrückten. Papst Johannes Paul II., ein Pole, machte während des Kalten Kriegs Stimmung gegen den Kommunismus. Historiker sehen ihn als Wegbereiter des Zerfalls der Sowjetunion.

Aussenpolitische Bilanz: überschaubar

Der jetzige Papst, ein Argentinier, positioniert sich als Fürsprecher der Armen. Er kritisiert den Umgang mit Flüchtlingen und macht auf Klimafragen aufmerksam. Diese Anliegen beruhen auf der katholischen Lehre, der Bibel. Sie lassen sich aber auch profaner erklären: Die Zahl der Gläubigen wächst am stärksten in Lateinamerika und Afrika, die Anliegen des sogenannten globalen Südens spielen in der Kirche eine immer wichtigere Rolle. Manche Vatikanexperten sehen Franziskus gar als «anti-westlichen» Papst.

Nach 10 Jahren im Amt ist Franziskus’ Bilanz jedenfalls überschaubar. Er vermittelte im Geheimen zwischen den USA und Kuba, die Normalisierung zwischen den beiden Ländern ist auch sein Erfolg. Aber sonst? Die Spannungen zwischen den Weltregionen sind nicht kleiner geworden, der Weltfrieden scheint noch viel unerreichbarer als bei Franziskus’ Amtsantritt.

Das ist beileibe nicht Franziskus’ Schuld. Doch mit seinen Positionsbezügen hat er seiner Rolle als stiller Vermittler keinen Gefallen getan.

Sebastian Ramspeck und Christina Brun

Internationaler Korrespondent und Produzentin #SRFglobal

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Christina Brun ist die Produzentin von #SRFglobal, dem geopolitischen Auslandsmagazin von SRF. Zuvor war sie als Freischaffende unterwegs. Brun studiert nebst ihrer Arbeit bei SRF International Security an der Universität Harvard.

#SRFglobal, 7.12.2023, 22:25 Uhr

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