Der jahrelange Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen der Regierung und der linksgerichteten Guerilla-Organisation Farc hat grosses menschliches Leid angerichtet. Doch diese Zeit will das Land hinter sich lassen.
Letztes Jahr wurde ein Friedensvertrag geschlossen, und am Freitag kam das Parlament zum ersten Mal nach den Neuwahlen zusammen – zehn Sitze haben Vertreter der Farc inne. Für Ulrich Achermann, Südamerika-Korrespondent von SRF, ist dies ein grosser Schritt, der aber von der politischen Rechten bedroht wird.
SRF News: Welche Rolle spielen die Farc-Vertreter im Parlament?
Ulrich Achermann: Als politische Kraft werden sie eine kleine Rolle spielen. Sie haben nur fünf Sitze pro Kammer. Die Farc ist in der Öffentlichkeit nicht beliebt, aber sie wird sich der Opposition anschliessen und versuchen, die Friedensverträge mit der Guerilla zu verteidigen. Diese Friedensverträge sind unter Druck, weil nun eine Rechtsregierung ans Ruder kommt. Und diese hat erklärt, dass sie die Verträge in wesentlichen Teilen abändern will.
Sind diese Farc-Politiker nicht auch ein Symbol für ein neues Kolumbien?
Auf jeden Fall. Man hat sich das fast nicht vorstellen können – und es gibt viele rechtsgerichtete Parlamentarier, die es sich noch nicht vorstellen können, dass sie die Räumlichkeiten mit ehemaligen Guerilleros teilen müssen, ihren Todfeinden. Aber auch die Friedensjustiz ist jetzt aktiv geworden.
Es war die einzige zivilisierte Möglichkeit, diesen 50 Jahre alten bewaffneten Konflikt zu beenden: am Verhandlungstisch.
Einzelne Farc-Kommandanten müssen sich vor ihr wegen Entführungen und Lösegeldforderungen verantworten. In ländlichen Gebieten schreitet die Bekämpfung des Coca-Anbaus, des Rohstoffs für Kokain, voran. Es gibt also eine Summe von Faktoren, die ganz gut funktionieren. Und einige andere Faktoren, die überhaupt nicht gut funktionieren. Zum Beispiel wenn es um die Gewalt auf dem Land oder die Rückkehrmöglichkeit von Vertriebenen geht.
Diese Probleme sind nicht von heute auf morgen lösbar.
Natürlich sind sie nicht sofort lösbar. Den Friedensvertrag muss man sich als Prozess vorstellen, der sich über eine ganz lange Zeit hinweg zieht. Es stellt sich nun die Frage, ob es der politischen Rechten gelingt, diese Friedensverträge inhaltlich so abzuändern, dass ihr Geist unterwandert wird und das Ganze plötzlich zu wanken beginnen könnte. Das ist die Gefahr.
Generell gesehen, wo steht das Land heute im Vergleich zu damals?
Für mich ist das Land entscheidend vorangekommen. Das war einfach die einzige zivilisierte Möglichkeit, diesen 50 Jahre alten bewaffneten Konflikt zu beenden: am Verhandlungstisch. Militärisch ist das in dieser langen Zeit nicht gelungen. Weder die regulären Streitkräfte, noch die Guerilleros waren militärisch in der Lage, eine Entscheidung herbeizuführen. Es endete in einem riesigen Gemetzel mit insgesamt über 220'000 Toten. Für mich bleibt es ein grosser Wurf des noch amtierenden Präsidenten Juan Manuel Santos, dass er diesen Frieden gewagt hat und zuletzt auch hat realisieren können.
Das Gespräch führte Karin Britsch.