Um was geht es? Die EU-Grenzschutzagentur Frontex steht unter Beschuss: Von Grundrechtsverstössen ist die Rede, von Mobbing und von massiven Pannen beim Personalaufbau. Die EU-Betrugsbehörde Olaf ermittelt, nicht wenige fordern den Rücktritt von Behördenchef Fabrice Leggeri. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson macht Druck.
Was ist die Frontex? Während in der EU seit Jahren über eine Reform der Migrations- und Asylpolitik gestritten wird, sind sich die Länder zumindest in einem einig: Die Aussengrenzen müssen besser geschützt werden. Hier kommt Frontex eine Schlüsselrolle zu. Bis 2027 soll die Behörde von rund 1500 Beamten auf eine ständige Reserve mit bis zu 10'000 Beamten ausgebaut werden. Auch neue Kompetenzen sind hinzugekommen – etwa bei Abschiebungen und der Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Frontex hat an den europäischen Aussengrenzen allerdings auch unter dem neuen Mandat von 2019 nicht das Sagen, sondern soll die nationalen Behörden bei ihrer Arbeit unterstützen – mit Personal, Wissen, Technik und Equipment.
Warum steht Frontex in der Kritik? Medien berichteten im August 2019, dass die Behörde Menschenrechtsverletzungen durch nationale Beamte an den EU-Aussengrenzen in Bulgarien, Griechenland und Ungarn hingenommen habe. Im Oktober 2020 berichteten der «Spiegel» und andere Medien, griechische Grenzschützer hätten Schlauchboote mit Migranten an Bord rechtswidrig in Richtung Türkei zurückgetrieben (Pushback) – Frontex-Beamte seien teils in der Nähe gewesen. Interne Meldewege für derlei Vorfälle funktionierten unzureichend.
Im Januar 2021 wurde dann bekannt, dass die EU-Behörde Olaf gegen Frontex ermittelt. Zu den Hintergründen schweigen sich beide Seiten aus. Das Magazin «Politico» verwies aber unter Berufung auf EU-Beamte auf «Vorwürfe von Belästigung, Fehlverhalten und Migranten-Pushbacks.»
Der «Spiegel» berichtete nun diesen Freitag, neben den Pushback-Vorwürfen gehe es unter anderem auch um einen möglichen Betrugsfall, um Mobbingvorwürfe «und die Frage, ob der Grundrechtsbeauftragten der Agentur Informationen vorenthalten wurden.»
Wie reagieren die Frontex-Verantwortlichen? Im Europaparlament wies Leggeri die Pusback-Vorwürfe entschieden zurück – man habe keine Beweise dafür gefunden. In einem Radio-Interview mit dem französischen Sender Europe 1 liess Leggeri am Freitag viele Fragen offen. Seine Agentur mache wegen des Ausbaus eine «Metamorphose» durch, erklärte er. Mit Blick auf die Pushback-Vorwürfe betonte er, dass Frontex auch Menschenschmuggel bekämpfe. Wer einen Asylantrag stellen wolle, könne das natürlich tun. Es sei ein Anliegen, dass stets legal gehandelt werde.
Was macht Frontex nun? Die Agentur setzte zuletzt ihren Einsatz in Ungarn aus. Der Europäische Gerichtshof hatte zuvor weite Teile des ungarischen Asylsystems für rechtswidrig erklärt. Selbst der Frontex-Verwaltungsrat aus Vertretern der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission hält die Aufarbeitung der kritisierten Punkte für unzureichend, insbesondere zu den Pushbacks. Ein vertraulicher Bericht lässt laut der Deutschen Presse-Agentur schwere Mängel erkennen: Fünf von 13 untersuchten Fällen wurden nicht ausgeräumt und bedürfen weiterer Untersuchung. Für einen kompletten Bericht hat der Verwaltungsrat eine neue Frist Ende Februar gesetzt. Auch sollen interne Prozesse überarbeitet werden.