Portugal gehört mit Malta und Dänemark zu den Ländern in Europa, die die höchste Impfquote erreicht haben. Um die 80 Prozent der Bevölkerung sind bereits vollständig geimpft. Und das, obwohl in Portugal für keine Berufsgruppe eine Impfpflicht eingeführt wurde und nicht geimpfte Menschen mit keinerlei zusätzlichen Beschränkungen rechnen müssen.
Anfang August hatte die oberste portugiesische Gesundheitsbehörde DGS die Impfung der Kinder und Jugendlichen freigegeben und seitdem haben rund vier Fünftel der Heranwachsenden zumindest eine erste Dosis erhalten.
Viele Eltern sind froh darum. «Die Vorteile einer Impfung überwiegen deutlich. Risiken gibt es immer, aber wir finden es gut, dass unser Sohn vor dem Schulbeginn geimpft wird», sagt der Vater eines 12-Jährigen.
Einen Teil der Lorbeeren für den nationalen Impferfolg erntet ein portugiesischer Marineoffizier, Henrique de Gouveia e Melo, ein Vizeadmiral. Der 60-Jährige sieht Portugal in einer Vorreiterrolle im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie. «Wir haben die Gesellschaft wieder weit öffnen können und trotzdem fällt unser Infektionsgeschehen gerade deutlich ab.» Die hohe Impfquote bedeute: «Das Virus hat kaum mehr Platz, sich hier zu bewegen.»
Gouveia e Melo hatte nach einem schleppenden Start in die Impfkampagne im Februar die Führung der portugiesischen Impf-Taskforce übernommen. Als im Frühsommer die Delta-Variante zu einem spürbaren Anstieg der Infektionen führte, drückten die Behörden noch einmal aufs Tempo und die Bevölkerung zog mit.
Portugal impfte im Sommer sogar so schnell, dass die Regierung zusätzliche Dosen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten bezog, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Vizeadmiral Gouveia e Melo verweist darauf, dass die schwere Coronakrise zu Beginn des Jahres ein wichtiger Faktor gewesen sei, um die Menschen zu mobilisieren.
«Wir hatten im Januar sehr viele Todesopfer zu beklagen, jeden Tag 300, bei einer Bevölkerung von zehn Millionen», so der Marineoffizier. Die Menschen seien sich der Risiken bewusst geworden, wenn sie sich nicht impfen lassen.
Es gibt aber noch andere Gründe, die erklären, warum die Impfkampagne gegen das Coronavirus in Portugal so gut läuft. Experten schätzen, dass die Zahl der Impfverweigerer bei nur drei bis vier Prozent liegen dürfte. Über die Wirkung von Verschwörungstheorien in den sozialen Netzwerken wird zwar in den Medien diskutiert, aber Coronaleugner treten in der Öffentlichkeit fast gar nicht auf.
Prägende Vergangenheit
Das Impfen geniesse in der portugiesischen Bevölkerung auch deshalb einen so hohen Stellenwert, weil sich viele Menschen an die grosse Armut und unzureichende medizinische Versorgung in den 1970er-Jahren erinnern würden, sagt Francisco George, Präsident des portugiesischen Roten Kreuzes.
«Durch das Impfen haben wir uns von sehr vielen Krankheiten befreien können. Wir hatten in Portugal zurzeit der Salazar-Diktatur eine der höchsten Kindersterblichkeiten in Europa. Dank des Impfens haben wir jetzt eine der geringsten, auf dem Niveau von Japan», so George.
Durch das Impfen haben wir uns von sehr vielen Krankheiten befreien können.
Dank der hohen Impfquote fallen bestimmte Beschränkungen in Portugal bereits weg, zum Beispiel die Maskenpflicht auf der Strasse. Trotzdem gehen die Behörden einen vorsichtigen Weg aus der Pandemie. Erst wenn 85 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind, dürfen Clubs und Diskotheken wieder öffnen und Fussballstadien und Theater die volle Kapazität auslasten.