Blasmusik für den Empfang der Staats- und Regierungschefs. Und ein US-Präsident, der das Alpenpanorama grossartig findet. Leider sei er schon lange nicht mehr Ski gefahren, sagte Joe Biden auch noch. Dann ist Schluss mit dem gemütlichen Teil. Es geht zur Sache.
Keine ist dringlicher als Russlands Krieg gegen die Ukraine. «Der Westen muss zusammenhalten. Gerade weil Russlands Staatschef Wladimir Putin hofft, dass sich die Nato und die G7 zerstreiten. Das ist bisher nicht passiert – und darf auch nicht passieren», fordert Biden.
Also braucht es einen langen Atem. Zumal Putin, pünktlich zum G7-Gipfelbeginn, ankündigt, seinen Vasallen Belarus mit atomwaffentauglichen Raketen auszustatten und mit Raketensalven auf Kiew klarmacht, dass er nicht klein beigibt.
Die Kollateralschäden wachsen
Verbal sind sich die G7-Gipfelteilnehmer einig: «Die Ukraine braucht noch mehr Hilfe», wie EU-Ratspräsident Charles Michel sagt. Doch je länger der Krieg dauert, umso höher werden nicht nur dessen menschliche und ökonomische Kosten.
Vielmehr wachsen auch die Kollateralschäden für die ganze Welt: steigende Energie- und Lebensmittelpreise, Lieferkettenprobleme, sinkende Wachstumsraten, Inflation, Verschuldung, Vernachlässigung der Klimaziele. «All das, weil Russland einen Krieg vom Zaun brach», so Kanadas Premierminister Justin Trudeau. «Es sind schwierige Zeiten – für die ganze Welt.»
Kriegslasten und Folgeschäden schaffen zugleich politische Verwerfungen. Während Russland keineswegs kriegsmüde wirkt und sich die Ukraine Kriegsmüdigkeit nicht erlauben kann, nimmt diese in jenen Ländern zu, die am Krieg gar nicht direkt beteiligt sind. Der Druck auf die ukrainische Führung, zu kapitulieren, wächst.
Boris Johnson, der britische Premier, mag noch so sehr betonen: «Es lohnt sich, für die Freiheit einen Preis zu bezahlen, weil der Preis einer Kapitulation viel höher ist.» Viele in den G7-Ländern und sonst wo sehen das anders. Und das führt zu Verwerfungen zwischen westlichen Ländern und Schwellen- sowie Entwicklungsländern – und zunehmend auch innerhalb des westlichen Lagers. Gipfelgastgeber und Bundeskanzler Olaf Scholz: «In den internationalen Beziehungen ist gegenwärtig nicht alles eitel Sonnenschein…» Gelinde ausgedrückt.
Bisher ungekannte Häufung von Herausforderungen
Professor John Kirton von der Universität Toronto, dessen Studiengruppe seit vielen Jahren die G7-Gipfel begleitet, sagt es so: «Die G7-Staats- und Regierungschefs haben gar keine andere Wahl, als sich all dieser Schocks weltweit anzunehmen. Nie zuvor haben sich die G7 gleichzeitig so vielen abrupt eintretenden Herausforderungen stellen müssen.»
Fragt sich, ob sie überhaupt dazu imstande sind. Zumal bei diesem Treffen etliche der sieben Teilnehmer innenpolitisch angeschlagen sind oder stark unter Druck stehen. Zugleich schwindet das politische und wirtschaftliche Gewicht der G7-Staaten rapide.
Standen sie früher für fast 70 Prozent des Welt-Bruttoinlandprodukts, repräsentieren sie heute weniger als 45 Prozent. Das engt den Handlungsspielraum weiter ein. Von einer heimlichen Weltregierung kann keine Rede mehr sein. Auch wenn sie sich noch so Mühe geben, geschlossen aufzutreten.