Nach dem G7-Gipfel in Kanada zerriss US-Präsident Donald Trump die mühsam erarbeiteten Beschlüsse buchstäblich in der Luft: Er sass bereits im Flugzeug nach Hause, als er sich abrupt von allem distanzierte.
Das war eine Premiere nach einem G7-Treffen und «ein Fiasko», findet Professor Cédric Dupont, Spezialist für internationale Beziehungen am Genfer Graduate Institute.
Gerade jetzt ist die G7 wichtig. Sonst schaut jedes Land nur noch für sich selber und am Ende gilt das Faustrecht, das Recht des Stärkeren.
Nach den Kanadiern übernehmen nun die Franzosen den Vorsitz im «Klub der Mächtigen». Der läuft nun aber das Risiko, zum Klub der Ohnmächtigen zu werden.
Präsident Emmanuel Macron glaubt an eine Zukunft für die Runde der sieben wichtigsten demokratischen Wirtschaftsmächte und plant bereits den nächsten Gipfel in Biarritz: «Gerade jetzt ist die G7 wichtig. Sonst schaut jedes Land nur noch für sich selber und am Ende gilt das Faustrecht, das Recht des Stärkeren.»
Treffen nur noch für die Kameras?
Der Multilateralismus, also die Kooperation zwischen Nationen, sei, so Macron in Gefahr. Also müsse man für sie kämpfen. Dupont glaubt, dass der Gipfel in Biarritz stattfindet. Aber er fürchtet, das Treffen werde zu einer inhaltsleeren Hülle: «Man trifft sich zwar noch, aber entscheidet nichts mehr gemeinsam.» Die G7 würde also bloss noch künstlich am Leben gehalten.
Dupont denkt auch, dass Trump teilnehmen wird. Jedoch nur physisch, nicht aus Überzeugung. Der US-Präsident sehe in der G7 bloss noch eine Chance zur Selbstdarstellung auf der ganz grossen Weltbühne.
Genauso sieht der Genfer Experte auch den grösseren Kreis: Jenen der G20, der ebenfalls kaum noch funktionsfähig ist. Trump gilt zwar als Hauptschuldiger an der Lähmung der beiden Organe. Doch er ist beileibe nicht der einzige. Auch andere Regierungen scheinen immer weniger bereit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das Prinzip «mein Land zuerst» regiert.
Lange Jahre gaben die Treffen wichtige Impulse
Die G7 und die G20 waren in den vergangenen Jahrzehnten – entgegen aller Behauptungen – nie heimliche Weltregierungen. Aber sie lieferten entscheidende Impulse – beim Klimawandel, bei der Terrorismusbekämpfung, für Friedenskonferenzen, in der Entwicklungspolitik oder in der Finanzkrise.
Impulse, die dann in anderen Gremien, vor allem in der Uno, aufgenommen wurden. So prägten die grossen Gipfel durchaus die Weltpolitik. Bloss funktionieren die Treffen für Dupont nur, wenn die Teilnehmer das wollen. Genau an diesem Willen fehle es zurzeit.
Er bezweifelt deshalb, dass es genüge, das Format zu ändern: Etwa den Klub der G7 mit jenem der G20 zu fusionieren. Oder die G7 um demokratische Schwellenländer wie Indien, Indonesien oder Brasilien zu erweitern. Zumal das den Anschein erwecken würde, als handle es sich um ein Anti-China- oder ein Anti-China-und-Russland-Gremium. Entscheidend sei die Bereitschaft, einander zuzuhören, aufeinander ein- und gemeinsam voranzugehen.
Mehr Ordnung, weniger Chaos
Der Multilateralismus sei vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg gewachsen. In der Tat hat er dafür gesorgt, dass etwas mehr Ordnung und etwas weniger Chaos und Gewalt in der Welt herrschen. Wenn man jetzt all diese Strukturen zerstört oder aushöhlt, so Dupont, dann lassen sie sich nicht über Nacht wiederherstellen.
Insofern ist Trump nicht bloss eine Aktennotiz der Geschichte. Ebensowenig all jene, die auf seinen nationalistischen Kurs einschwenken. Die Preisgabe der G7 wie der G20 hätte anhaltende und gravierende Konsequenzen für die Weltordnung.