Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland baut den Gashandel mit Russland aus. Doch die Gaspipeline Nord Stream 2 wird für Kanzlerin Merkel zunehmend zur Hypothek.
- Im Bundestag fordert die Opposition mehr Sensibilität für die Interessen anderer osteuropäischer Länder und auch US-Präsident Trump ist in Rage.
- Auferlegt hat der Kanzlerin die Hypothek Nord Stream 2 ausgerechnet Vorgänger Gerhard Schröder.
Die Bagger sind bereits aufgefahren. In der russischen Narwa Bucht verlegen sie die ersten Rohre in die Ostsee. Ende 2019 soll die neue Gaspipeline durch die Ostsee verlegt sein.
Parallel zur bereits bestehenden Leitung, welche schon heute jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas auf direktem Weg durch die Ostsee nach Deutschland liefert. Mit Nord Stream 2 wird es doppelt so viel Gas sein, 110 Milliarden Kubikmeter.
Deutschland finanziert den russischen Staatshaushalt mit
Den Gas-Deal hatte der ehemalige deutsche Kanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder eingefädelt. Schröder ist heute Vorsitzender der Nord Stream AG.
Den Hauptanteil, 51 Prozent des Aktienkapitals, hält der staatlich kontrollierte russische Energiekonzern Gazprom. Gazprom wiederum erwirtschaftet rund einen Viertel des russischen Staatshaushaltes.
«Ein Projekt der deutschen Wirtschaft»
Deutschland zahlt dabei kräftig mit. Die Deutsche Regierung betont, Nord Stream 2 sei ein Projekt der deutschen Wirtschaft, unabdingbar für die Zukunft. «Wir brauchen diese Pipeline. Es geht am Ende um die Versorgungssicherheit von Deutschland aber auch von Europa», sagt der SPD Abgeordnete Sören Bartol. «Es ist wichtig, dass wir diese zusätzliche Leitung auch bekommen.»
Merkel sollte deutlich mehr Rücksicht auf die Interessen der Ukraine, Polens und der baltischen Staaten nehmen.
Rund 40 Prozent des Erdgases für die deutsche Energieversorgung stammt aus Russland. Mit Nord Stream 2 dürften es bald bis zu 80 Prozent werden.
Trump in Rage
Was den US-Präsident Donald Trump zu einem verbalen Frontalangriff veranlasste. Deutschland sei «total kontrolliert» von Russland, es befinde sich in einer Art «Geiselhaft», wetterte er letzte Woche auf dem Nato-Gipfel in Brüssel.
Trump wolle nur sein eigenes Gas nach Europa verkaufen, kontert der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier: «Wenn die USA «America First» sagen und ihre Wirtschaftsinteressen in den Vordergrund stellen, dann müssen sie damit rechnen, dass wir Europäer unsere Wirtschaftsinteressen auch definieren.»
Ukraine als Verlierer
Kritik an Deutschland gibt es aber auch aus Kiew. Bislang transportiert Russland einen grossen Teil seines Gases für Europa durch die Ukraine. Dafür braucht Russland die Einwilligung der ukrainischen Regierung. Für die Ukraine ist dies ein gewichtiges Pfand im Konflikt mit Russland. Mit Nord Stream 2 wird dieses Pfand für die Ukraine wegfallen.
Die Grünen werfen Merkel vor, aussenpolitisch unsensibel zu handeln. Erstens brauche es diese Pipeline nicht, weil der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland in den nächsten Jahren den Energiebedarf decken würde.
Und zweitens stosse die Bundesregierung die anderen osteuropäischen Partner vor den Kopf. «Merkel sollte deutlich mehr Rücksicht auf die Interessen der Ukraine, Polens und der baltischen Staaten nehmen. Das erfordert das schwierige Verhältnis dieser Länder zu Russland», sagt die Grünen Abgeordnete Claudia Müller gegenüber SRF.
Eigeninteressen im Vordergrund
Geradezu «schizophren» nennt sie den Ausbau des Gashandels mit Russland. Die Bundesregierung trage wegen des Ukrainekrieges die EU-Handelssanktionen mit, mache aber gleichzeitig neue Energiegeschäfte mit Russland. «Das passt einfach nicht zusammen», sagt Müller.
Mit dieser Kritik stehen die Grünen längst nicht alleine. Aber Merkel ist die Versorgungssicherheit für die deutsche Wirtschaft und für die deutschen Haushalte offensichtlich wichtiger als die vereinbarte Sanktionspolitik. Es geht bei Nord Stream 2 um Eigeninteressen. Merkel und Deutschland genauso wie dem US-Präsidenten übrigens auch, der amerikanisches Gas nach Europa liefern will.