London ist in Aufruhr: Denn das «Recht der Menschen in der Innenstadt auf saubere Luft», wie es Bürgermeister Sadiq Khan nennt, sorgt derzeit für wütende Reaktionen in der Bevölkerung.
Wie bereits in sechs anderen britischen Städten gilt in der Metropole an der Themse ein sogenanntes «Road Pricing». Konkret: Wer mit einer Abgasschleuder durch London fährt, muss tief in die Tasche greifen. Umgerechnet 17 Franken beträgt die Gebühr für Fahrzeuge, die gewisse Umweltnormen nicht erfüllen.
Konservative Kritik
Nun wurde die Londoner Umweltzone von der Innenstadt auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet – begleitet von scharfer Kritik der konservativen Regierung. Gegenüber der BBC rechtfertigte sich Londons Bürgermeister von der sozialdemokratischen Labour-Partei: Es handle sich weder um eine Anti-Auto- noch um eine Anti-Autofahrer-Politik.
Patrik Wülser berichtet für SRF aus der britischen Hauptstadt. Er bestätigt: Um die Luftqualität in London stehe es schlecht. «Die Stadt ist bekannt für Smog, schlechte Luft und verstopfte Strassen. Dies führt bei alten Menschen und Kindern nachweislich zu Gesundheitsproblemen.»
Die Londoner Behörden gehen davon aus, dass jährlich 4000 Menschen in der britischen Hauptstadt frühzeitig an den Folgen von Atemwegserkrankungen sterben. «Deswegen will man die alten Fahrzeuge, die die Luft besonders belasten, aus der Stadt verbannen», sagt der SRF-Korrespondent.
Der ÖV als valable Alternative?
So weit, so nachvollziehbar – zumindest aus gesundheitspolitischer Warte. Verkehrspolitisch stellt sich im Grossraum London, in dem die Pendlerdistanzen teils enorm sind, aber auch eine andere Frage: Kommen die Menschen auch ohne Auto in die Stadt und an den Arbeitsplatz?
Grundsätzlich sei der öffentliche Verkehr in London gut ausgebaut, weiss Wülser. Gut die Hälfte der Menschen in der Metropolregion hat gar kein Auto und ist mit Bus, Metro oder dem Fahrrad unterwegs. «Selbstverständlich gibt es aber Berufsleute, die auf das Auto angewiesen sind und die kein Geld haben, sich jetzt einfach ein neues Auto zu kaufen.»
Londoner Bürgermeister unter Druck
Die Stadt London subventioniert den Ersatz von alten Fahrzeugen mit umgerechnet 2500 Franken. Der Aufschrei ist trotzdem gross: «Leicht larmoyant liefern Kritikerinnen und Kritiker seit Wochen Beispiele von Menschen, die ihre Grosskinder nicht mehr besuchen und nicht mehr zum Arzt können oder auch von Gewerbetreibenden, die wirtschaftliche Einbussen erleiden.»
Verschärft wird der Unmut in der Bevölkerung dadurch, dass die Menschen im ganzen Land seit Monaten unter hohen Lebenskosten leiden. Jede zusätzliche Gebühr belastet das Portemonnaie weiter. «Wenn diese dann noch grossflächig von einem linken Bürgermeister in der Hauptstadt erhoben wird, löst das Unmut aus», berichtet Wülser.
Sadiq Khan steht also unter massivem Druck. Und die Londoner Umweltabgabe mutiert laut Wülser gerade zu einem nationalen politischen Thema. So warnen die Konservativen ein Jahr vor den Wahlen vor einer «linken Ökodiktatur». Doch auch Labour ist bei dem heiss umstrittenen Thema gespalten. «Die Partei nimmt es womöglich sogar in Kauf, den eigenen Bürgermeister in London im Regen stehenzulassen», schliesst der Korrespondent.