Mit einem grossen Weihnachtsbaum auf dem Märtyrerplatz feierte Beirut letztes Jahr das christliche Fest. Dieses Jahr ist von friedlicher Vorweihnachtsstimmung im Land der 18 Religionsgemeinschaften nichts zu spüren: Massenproteste, Gewalt gegen Demonstranten und die Wirtschaftsmisere drücken auf die Stimmung.
Statt ein Christbaum steht zurzeit eine gut neun Meter hohe gereckte Holzfaust auf dem Märtyrerplatz. Erst kürzlich hat sie ein Unbekannter abgefackelt. Doch der Künstler, der sie gemacht hat, hat sie wieder ersetzt.
Rund um die Faust stehen Zelte. «Hier schlafen wir», sagt der 58-jährige Habib, ein arbeitsloser Ingenieur. Er betont: «Ich bin Christ. Ein Sunnit, ein Druse und ein Schiit sind meine Zeltnachbarn.»
Die Vier kämpfen gemeinsam für eine Regierung, die sie nicht mehr gegeneinander aufhetzt. Sie wollen sogar zusammen Weihnachten feiern – auf diesem Platz. Aber nicht mit einem millionenteuren Weihnachtsbaumspektakel, wenn Geld für anderes fehle, sagt Habib.
Habib hat Herzprobleme. Als Arbeitsloser kann er sich die Spital-Eintrittsgebühr von 500 Dollar jedoch nicht leisten. Auch deshalb trotzt er dem Regen und der sporadischen Gewalt von Protest-Gegnern. Für eine Revolution müsse man leiden, sagt Habib. Eine Veränderung herbeizuführen, sei nie einfach.
Aus einem teuren Geschäft unweit des Märtyrerplatzes erklingt Weihnachtsmusik. Weihnachtsstimmung kommt aber keine auf. «15 Geschäfte hier mussten bereits schliessen, weil die Kunden fehlen», sagt der 26-jährige Joe, der in einem Luxusartikelgeschäft arbeitet.
Joe sitzt mit dem 64-jährigen Uhrenmacher Roger auf einer Bank und trinkt Kaffee. Sie vermissen den grossen Weihnachtsbaum: «Kein Baum, gar nichts - und in zwei Wochen ist Weihnachten», sagen die beiden.
Das Weihnachtsgeschäft läuft schlecht. Denn wegen der Krise haben Banken die Limite für Bezüge an Bankomaten auf umgerechnet zwei bis dreihundert Franken pro Woche limitiert. Baschir, der mit ein paar Freunden Wasserpfeife raucht, befürchtet das Schlimmste: «In spätestens zwei Monaten werden die Banken ganz zumachen», meint er.
Ein Pfannenbaum mit den Wünschen der Menschen
Unter diesen Umständen würde es ein grosser Teil der libanesischen Bevölkerung nicht goutieren, wenn die Behörden eine teure Christbaumzeremonie veranstalten würden.
Einen etwas anderen Weihnachtsbaum soll es aber trotzdem geben. In ihrem Atelier im schicken christlichen Ashrafie-Quartier baut die Künstlerin Hayat Nazer einen Weihnachtsbaum aus alten Pfannen: «Menschen aus dem ganzen Land schicken uns eine alte Pfanne, auf der sie ihren Namen schreiben, woher sie kommen und was sie sich für Libanon wünschen», sagt Nazer.
Das Atelier der Künstlerin ist voll von Pfannen. Junge, Alte, Arme, Reiche, Muslime, Christinnen – sogar Libanesen, die im Ausland leben – machen mit. Mit dem Projekt, das auf den sozialen Medien ein grosses Thema ist, will Hyat Nazer ein Zeichen setzen: «Wir wollen allen zeigen, wie kreativ wir Libanesinnen und Libanesen sind, und dass wir zusammenstehen. «Liebe und Einigkeit: Das sind unsere einzigen Waffen. Nur damit gewinnen wir», sagt Hayat Nazer.
Liebe und Einigkeit: Das sind unsere einzigen Waffen. Nur damit gewinnen wir.
Auf dem Märtyrerplatz kann die Künstlerin im Moment nicht arbeiten. Die Gefahr, dass Schlägertrupps die Demonstranten angreifen, ist zu gross. Trotzdem hofft sie, dass ihr Pfannenbaum noch vor Weihnachten dort aufgebaut werden kann.