Wahlkampf in Bangladesch: Kandidat Junaid Saki geht mit etwa 50 Anhängern durch die Strassen der Hauptstadt Dhaka. Er schüttelt die Hand des Teeverkäufers, wechselt ein paar nette Worte mit einer Passantin. Immerzu verteilt er die schwarz-weiss gedruckten Flyer. Später liegen diese hinter dem Tross am Strassenrand. Saki wird nicht gewählt werden. Das weiss er. «Die Leute mögen uns», glaubt der Präsident einer linken Kleinstpartei, «doch sie wählen uns nicht.» Das sei ein Rätsel.
Eine Frauenfeindschaft beeinflusst das ganze Land
Es ist ein Rätsel, das mit der politischen Struktur in Bangladesch zusammenhängt. Seit der Unabhängigkeit 1971 wird das Land von zwei Parteien dominiert, von der amtierenden Awami League und der Bangladesch Nationalist Party. Deren Anführerinnen Sheikh Hasina und Khaleda Zia hassen sich bis aufs Blut. Ihre Fehden bestimmen praktisch den ganzen politischen Diskurs.
Für Saki ist klar, dass jemand, der mit der aktuellen Regierung unzufrieden ist einfach die andere grosse Partei wählt: «Jede Stimmabgabe für eine dritte Partei empfinden die Wähler als Verschwendung», so Saki. «Warum sollten sie eine Partei wählen, die ohnehin nicht gewinnt?»
Um als Politiker in Bangladesch gewählt zu werden, müsse man mit einem der beiden Lager koalieren. Doch das mache er nicht. Denn davon würden einzig die beiden grossen Parteien profitieren, ist Saki überzeugt.
Inhaltlich kaum verschieden
Durch die starke Polarisierung der Politik in Bangladesch bleiben die beiden grossen Parteien immer im Rennen: Entweder als Regierungspartei oder als die stärkste Oppositionspartei.
Das Absurde daran sei, dass sich die zwei Parteien inhaltlich kaum unterschieden, sagt der Politologe Imtiaz Ahmed, der Professor an der Dhaka Universität ist: «In den wichtigsten Fragen der Wirtschafts- und Aussenpolitik vertreten die beiden Parteien praktisch dieselben Positionen», sagt Ahmed.
Dieser Umstand macht die Parteien austauschbar. Doch dieses Jahr ist die Ausgangslage etwas anders. Die Führerin der Oppositionspartei Bangladesh National Party, Khaleda Zia, ist im Gefängnis. Offiziell ist sie wegen Steuerdelikten inhaftiert.
Ein 82-jähriger Anwalt als neuer Herausforderer
«Die Regierungspartei dachte wohl, sie würde überhaupt nicht herausgefordert werden, doch dann kam Kamal Hussein, ein respektierter Anwalt und Mitverfasser der Grundgesetze Bangladeschs», sagt Imtiaz.
Husseins Partei, die Oikya Front, mischt zum ersten Mal bei den Wahlen mit und gilt auf einmal als die grosse Herausfordererin der amtierenden Präsidentin.
«Die Leute wollen Wandel. Wer ihnen das verspricht, wird zu einer valablen Alternative», sagt Hussein. Doch der 82-jährige Anwalt weiss, dass Wandel in Bangladesch noch nie ohne eine der beiden starken Parteien stattfand. Deshalb führt Hussein zwar die Oppositionsfront an, steht aber selbst auf keiner Wahlliste. Die stärkste Partei in seinem Oppositions-Zusammenschluss ist die Nationalist Party von Khaleda Zia. Hussein nutzte ihre Führungslosigkeit.
Stimmen für die Opposition, nicht nur für eine Partei
Hussein hofft, dass bei den Wahlen die Stimmverteilung in der Koalition genügend breit gefächert ist, damit die Partei von Khaleda Zia, falls sie gewinnen würde, nicht alles alleine bestimmen könnte. «Einfach einen Wechsel zurück zur alten Führerin wäre eine Schande», sagt er.
Anwalt Hussein und der Linkspolitiker Saki haben dasselbe Ziel: Sie wollen das Jahrzehnte alte Machtgefüge der beiden grossen Parteien aufbrechen.