Erdogan ist auf einem verbalen Feldzug. Braucht er den Krach, um seine Wähler bei der Stange zu halten? Eine Übersicht über die Adressaten von Erdogans Tiraden:
Angela Merkel und Deutschland: Erst bezeichnete die türkische Regierung Deutschland «nur» als antidemokratisch, dann folgte die Nazi-Keule. In einer vom Fernsehen übertragenen Rede sprach Erdogan Bundeskanzlerin Merkel direkt an und konterte die Vorwürfe, ein Diktator zu sein: «Du wendest auch gerade Nazi-Methoden an. Gegen wen? Gegen meine türkischen Brüder in Deutschland und die Minister, die in Deutschland für die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei werben wollten.» Gemeint sind die Wahlkampf-Verbote in verschiedenen Bundesländern.
Zusätzlich belastet wird das Verhältnis zu Deutschland durch die Inhaftierung des «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel. Erdogan nennt Yücel einen «Agenten und Terroristen». Yücel wird Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Volksverhetzung vorgeworfen.
Niederlande: Ins Gebet nimmt Erdogan auch die Holländer. Das Land hatte dem türkischen Aussenminister Cavusoglu die Einreise verweigert und die Familienministerin des Landes verwiesen. Daraufhin kam es in Rotterdam zu Demonstrationen von Erdogan-Anhängern, die die Polizei auflöste. Erdogan verglich das Verhalten der Polizei mit demjenigen Merkels. Sie greife die Türkei so an, wie die niederländische Polizei mit Hunden und Pferden gegen türkische Demonstranten vorgegangen sei, sagte Erdogan. Bei Deutschland und den Niederlanden handle es sich um «Banditenstaaten». Weiter warf er den Niederländern vor, einen «verkommenen Charakter» zu haben. Dies begründete er mit dem Verhalten niederländischer Blauhelmsoldaten im bosnischen Krieg in den 1990er Jahren, die bei Srebrenica stationiert waren. Diese hätten den Massenmord an den muslimischen Männern und Jungen durch bosnisch-serbische Einheiten nicht verhindert.
Merkel greift die Türkei so an, wie die niederländische Polizei mit Hunden und Pferden gegen türkische Demonstranten vorgeht.
USA: Enttäuscht ist Erdogan auch über die USA. In einem CBS-Interview kritisierte er die Politik Washingtons im Syrien-Konflikt und in der Flüchtlingskrise. «Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich sei nicht desillusioniert». Die Türkei habe diese Themen zur Sprache gebracht, sagte Erdogan. Doch die USA habe «sich der Situation nicht gewachsen gezeigt und diese Themen nicht ernsthaft behandelt. Das war für uns sehr ärgerlich.»
Nato: Auch mit der Nato ist der türkische Präsident nicht zufrieden. Erdogan warnte die Organisation davor, türkischen Offizieren Asyl zu gewähren. Bei den Betroffenen handle es sich um Soldaten, denen «Terrorismus vorgeworfen» werde. Die Soldaten seien an der Vorbereitung des Putsches im Sommer beteiligt gewesen, fuhr er fort.
Europäische Union: Ein altes Feindbild Erdogans. «Die EU hält uns seit vollen 53 Jahren hin», sagt Erdogan. Erdogan wirft der EU vor, die Türkei im Beitrittsprozess hinzuhalten, weil sie ein mehrheitlich muslimisches Land sei. Der Streit um das Flüchtlingsabkommen und die Visumsfreiheit für Türken habe gezeigt, dass die EU nicht vertrauenswürdig sei. Erdogan sagte auch: «Ihr haltet Eure Versprechen nicht. Eben das ist Euer hässliches Gesicht. Weil Erdogan dieses hässliche Gesicht entlarvt, dreht Ihr durch.»
Ihr haltet Eure Versprechen nicht. Eben das ist Euer hässliches Gesicht.
Die Gülen-Bewegung: Enorm wichtig ist es, auch dem Feind im Innern ein Gesicht zu geben. Diesen hat Erdogan neben den Kurden auch in der islamistischen Gülen-Bewegung gefunden, welche für den Putsch im Juli 2016 verantwortlich gemacht und seither drastisch bekämpft wird. Nicht nur verbal.