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Generalstreik in Argentinien Landesweite Proteste gegen Sparpolitik dauern an

Präsident Macri werde kaum vom Sparkurs abrücken, sei aber unter Zugzwang, sagt Korrespondent Ulrich Achermann.

Argentinien hat grosse wirtschaftliche Probleme, ein grosses Budgetdefizit und eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Währung ist schwach, die Inflation hoch. Weite Teile der Bevölkerung leiden. Beim für ab Montag für 36 Stunden ausgerufenen Generalstreik gehe es auch um eine effiziente Sozialpolitik für die Ärmsten, erklärt Lateinamerika-Korrespondent Ulrich Achermann.

Ulrich Achermann

Südamerika-Korrespondent, SRF

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Ulrich Achermann ist seit 2003 SRF-Korrespondent und berichtet über alle Länder Südamerikas. Er lebt in Santiago de Chile.

SRF News: Wird der Streikaufruf des Gewerkschaftsdachverbandes CGT befolgt?

Ulrich Achermann: Danach schaut es aus. Die Gewerkschaften haben sichergestellt, dass der öffentliche Verkehr lahmgelegt bleibt. Es verkehren keine Züge und Busse. Selbst die Argentinier, die zur Arbeit erscheinen möchten, können dies nicht.

Wird das die Regierung des konservativen Präsidenten Mauricio Macri beeindrucken?

Die Regierung wird das Ergebnis zur Kenntnis nehmen müssen, hat aber nicht vor, vom Sparkurs abzurücken. Sie glaubt daran, dass die Sparpolitik weiter Unterstützung findet. Das Lager, das den Sozialprotest ausweiten könnte, ist aber gespalten, die peronistische Opposition ebenso wie die Gewerkschaften.

Wie sind die Auswirkungen der Sparpolitik auf die Bevölkerung?

Hart. Die rasante Entwertung des Pesos hat in den letzten Wochen grosse Korrekturen bei den Preisen und den öffentlichen Tarifen verursacht. Zugleich vertieft sich die Rezession. Es gibt immer mehr Entlassungen, gerade auch in den beschäftigungsintensiven Branchen. Die schätzungsweise 40 Prozent Jahresinflation höhlen die Kaufkraft aus.

Wer leidet am meisten unter den Einsparungen?

Es sind jene Menschen, die jetzt schon arm sind. Sie können den Gürtel kaum noch enger schnallen. Man sieht auf den Strassen von Buenos Aires schon jetzt wieder mehr Familien, die auf der Suche nach Essbarem und Aluminiumdosen im Kehricht wühlen. Das Armutsproblem in Argentinien ist gravierend. Ein Drittel der Bevölkerung gilt als arm.

Ein Kurswechsel der Regierung ist also nicht in Sicht?

Bis jetzt nicht. Präsident Macri versucht sich zurzeit in den USA mit dem Internationalen Währungsfonds zu einigen, um drei bis fünf Milliarden Dollar etwas früher zu erhalten, damit Argentinien den Verpflichtungen lückenlos nachkommen kann.

Die Regierung will bereits Ende 2019 beim Budget wieder eine schwarze Null schreiben. Muss die Bevölkerung den Gürtel noch enger schnallen?

Auf jeden Fall, wobei es gewaltige Unterschiede gibt. In der Mittelklasse wird man dabei nicht mehr so oft ins Kino und auswärts essen gehen. Bei den Bedürftigen dagegen muss immer öfter die katholische Kirche mit Suppenküchen einspringen.

Buenos Aires; Die Gewerkschaften haben zum 36-stündigen Generalstreik am Montagmittag aufgerufen.
Legende: Die Gewerkschaften haben zum 36-stündigen Generalstreik ab Montagmittag aufgerufen. Keystone

Auch die argentinischen Bischöfe bezeichnen die Lage als besorgniserregend. Drohen soziale Verwerfungen?

Dies Gefahr besteht. Macri müsste sich jetzt etwas einfallen lassen, um beide Seiten in der Krise zu bedienen: Mit einer effizienten Sozialpolitik die Schwächsten stützen und mit den Gläubigern im Reinen bleiben. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich Argentinien auch in den Macri-Jahren wieder übermässig verschuldet hat. Die Gläubiger haben mitgemacht. Doch jetzt steigen in den USA die Zinsen, was die aufgenommenen Dollarkredite viel teurer macht.

Wird Macri das schaffen?

Das wird schwierig bis unmöglich sein. Wenn Marci jetzt nicht das Ruder noch herumreissen kann, läuft er Gefahr, im nächstes Jahr abgewählt zu werden.

Berichte über baldige Einigung mit IWF

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Argentinien und der Internationale Währungsfonds (IWF) stehen laut Regierungskreisen kurz vor einer Einigung über weitere Finanzhilfen. Ein Bericht der Zeitung «La Nacion» über Kredite in Höhe von drei bis fünf Milliarden Dollar sei «nah an der Wirklichkeit», sagte ein Insider am Montag. Die Gelder kämen zusätzlich zu jenen aus einem Hilfsprogramm über rund 50 Milliarden Dollar, die Argentinien vorziehen will. Präsident Mauricio Macri sagte dem Sender Bloomberg TV, eine Einigung mit dem IWF stehe bevor.

Das Gespräch führte Barbara Büttner.

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