Ukraine, Klima, Ernährung: Die Staats- und Regierungsspitzen der Vereinten Nationen debattieren diese Woche in New York, doch der Weltgemeinschaft fehlt die Gesprächsgrundlage.
An der diesjährigen UNO-Generalversammlung gibt es nur wenig Vereinendes. Zwar reisen von heute an etwa 150 Monarchen, Staatspräsidenten und Regierungschefinnen an den UNO-Hauptsitz in New York. Direkt vom Queen-Begräbnis in London kommt der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis, er wird am Dienstag eine Rede halten. Ein Tag später steht US-Präsident Joe Biden auf der Rednerliste.
Doch Russlands Präsident Wladimir Putin, der grosse Unruhestifter auf der Weltbühne, bleibt dem Anlass ebenso fern wie sein mächtigster Verbündeter, Amtskollege Xi Jinping aus China. Nicht nur deshalb wird der Wunsch von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, das Treffen der 193 UNO-Staaten möge «Hoffnung wecken» und «Gräben überwinden», ein frommer bleiben.
Nicht auf der Traktandenliste: Frieden in der Ukraine
Angesichts der jüngsten ukrainischen Kriegserfolge und der Angst vor einer atomaren Eskalation wird die Rede Bidens mit Spannung erwartet. Doch kann er in New York überhaupt eine andere Botschaft verkünden als die Verurteilung Russlands und den Beistand für die Ukraine?
Die Kriegsparteien werden sich in New York jedenfalls nicht auf einen Frieden einigen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski will sich mit einer Videobotschaft an die Delegationen wenden, für Russland spricht Aussenminister Sergej Lawrow – ihm haben die USA, trotz Reisesanktionen, kurz vor Sitzungsbeginn ein Visum erteilt.
Für viele Länder ausserhalb Europas steht der Ukraine-Krieg freilich nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. Eine Gruppe von 48 armen Ländern aus Asien, Afrika sowie Süd- und Mittelamerika («Climate Vulnerable Forum») wird ihrer Forderung Nachdruck verleihen, dass die reichen Industriestaaten für Klimaschäden wie Dürren und steigende Meeresspiegel aufzukommen haben. «Senken Sie die Temperaturen – jetzt», ermahnte auch UNO-Generalsekretär Guterres die G20-Staaten, die für 80 Prozent der klimaerwärmenden Treibhausgase verantwortlich sind.
Grossmächte reden nicht miteinander
Mehr Mittel fordert Guterres ferner gegen die Ernährungskrise. Zumal eine im August veröffentlichte Studie der Beratungsfirma McKinsey zum Schluss kommt, dass es um die weltweite Nahrungsmittelversorgung miserabel bestellt ist. Bis Ende 2023 fehlten 60 Millionen Tonnen Getreide, was dem Nahrungsangebot für 250 Millionen Menschen entspreche.
Beunruhigend ist nicht, dass die UNO-Staaten für all diese Probleme unterschiedliche Lösungen propagieren. Oder dass Russland, China und die USA ihre Rivalitäten in New York offen zur Schau tragen. Das war schon früher so. Beunruhigend ist, dass die Grossmächte kaum mehr miteinander sprechen. So finden 2022, anders als früher, keine Mittag- und Abendessen ihrer Aussenminister statt. Der Ukraine-Krieg hat die weltpolitischen Gräben so weit aufgerissen, dass den Vereinten Nationen vorderhand die Gesprächsgrundlage entrissen ist.