«Zum Wohle Russlands!» ist nicht etwa der Leitspruch einer politischen Partei, sondern von Rosneft. Der Ölkonzern ist eines der wichtigsten Unternehmen des Landes.
Mehr als umgerechnet 80 Milliarden Franken setzte Rosneft im vergangenen Jahr um. Die Aktien werden an der Börse in London gehandelt, die britische BP und ein chinesischer Investor halten grössere Anteile an der Firma.
Der Kreml hat die Zügel in den Händen
Doch kontrolliert wird Rosneft vom russischen Staat – genauer – vom Kreml. «Je nach Situation verhält sich das Unternehmen wie ein privater oder wie ein staatlicher Akteur. Rosneft ist eine Art Hybrid», sagt Anton Valujskikh, Chefredaktor des Ölbranchen-Portals «Neftjanka».
Rosneft ist eine Art Hybrid aus staatlichem und privatem Konzern.
Die Geschäfte in den irakischen Kurdengebieten sind ein gutes Beispiel für diesen Dualismus, glauben Experten in Moskau. Ein privates Unternehmen hätte sich kaum zu dieser Milliarden-Investition durchgerungen, sagt der Moskauer Nahost-Experte Sergej Balmasov. Denn: «Die Risiken sind angesichts der abgespannten Lage in der Region erheblich.»
Er sei sich nicht sicher, ob Rosneft in der kurdischen Stadt Erbil am Ende wirklich Geld verdienen werde. «Aber man muss sehen, dass die Entscheidung für dieses Investment kaum in der Konzernzentrale allein gefällt wurde; das letzte Wort hatte wohl eher Wladimir Putin.»
Investitionen auch in Venezuela
Ist Rosneft also ein Erfüllungsgehilfe der Aussenpolitik des Kreml? Die Firma selber hat auf eine entsprechende Anfrage nicht geantwortet. Fest steht jedoch, dass Russlands Rolle im Nahen Osten wichtiger geworden ist, seit der Kreml sich an der Seite von Präsident Baschar al-Assad in den syrischen Bürgerkrieg eingemischt hat.
Auch in anderen Weltregionen decken sich die Interessen des Kreml mit der Strategie von Rosneft. So hat der russische Staatskonzern Milliarden Dollar in die Wirtschaft von Venezuela gesteckt. Im Austausch erhalten die Russen Zugriff auf die immensen Ölvorkommen in dem südamerikanischen Land.
Geopolitik mit Rosneft
Für die Regierung des Sozialisten Nicolas Maduro sind die Milliarden aus Moskau eine Art Überlebenshilfe. Mit dem Geld kann die kriselnde Wirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Im Gegenzug erhalten die Russen einen neuen Verbündeten in unmittelbarer Nähe zum geopolitischen Erzfeind USA.
«Von Aussen betrachtet ist es schwer nachzuvollziehen, wie diese Geschäfte in Venezuela gewinnbringend sein können», sagt Rohstoff-Experte Valujskikh. Das heisse wohl, dass auch geopolitische Erwägungen eine Rolle spielten. «Aber: Was soll daran schlecht sein?»
Chodorkowskis Yukos nach Enteignung übernommen
Tatsächlich hat Rosneft als staatlich kontrolliertes Unternehmen schon immer politische Aufgaben gehabt. Gegründet worden ist der Konzern in den 1990er-Jahren. Oligarchen sicherten sich damals die Filet-Stücke der sowjetischen Öl- und Gasindustrie. Die Staatsfirma Rosneft fasste zusammen, was übrig blieb – und das war zunächst nicht viel.
Rosneft hat zusammengekauft, was anderen weggenommen wurde.
Der Aufstieg zum Grosskonzern begann erst, als Putin in der Energiepolitik den Kurs änderte. Der Präsident wollte Russlands Rohstoff-Ressourcen wieder unter staatliche Kontrolle bringen. Rosneft profitierte davon.
Die Firma übernahm im Jahr 2004 einen grossen Teil des zerschlagenen Yukos-Konzerns. Dessen Gründer und Eigentümer Michail Chodorkowski war gerade für zehn Jahre ins Gefängnis verschwunden. Später schluckte Rosneft auch noch andere Konkurrenten.
Von zahlreichen Enteignungen profitiert
Rosneft sei sehr intransparent, sagt der Moskauer Energieexperte Michail Krutichin von der Beratungsfirma Rusenergy. «Sie hat zusammengekauft, was anderen weggenommen wurde», stellt er fest. Krutichin ist ein scharfzüngiger Kritiker von Rosneft. Er hält die Firma für ineffizient, weil sie zu viele politische Aufgaben lösen müsse.
Zweifellos spielt Rosneft in Moskau eine Sonderrolle. Das hat vor allem mit dem Chef der Firma zu tun hat: Starker Mann bei Rosneft ist seit vielen Jahren Igor Setschin, ein alter Vertrauter von Staatspräsident Putin. Er gilt als einer der mächtigsten Männer in Moskau.
Im Zuge der Ukraine-Krise sind Setschin und Rosneft mit westlichen Sanktionen belegt worden. Gute Verbindungen in alle Welt haben sie trotzdem: Erst vor wenigen Wochen liess sich der ehemalige deutsche Bundeskanzler und Russland-Freund Gerhard Schröder zum Verwaltungsratspräsidenten von Rosneft wählen.