«Löwenzahnwirbelsturm in Orange», so heisst der Roman von Tamar Tandashvili, der kürzlich auf Deutsch erschienen ist. Und so bunt wie der Titel ist auch die Handlung. Es geht – unter anderem – um einen Spitzenpolitiker, der gerne traditionelle georgische Werte predigt, sich aber heimlich mit seinem Liebhaber trifft. Es geht um eine junge Lesbe, die von einem zurückgewiesenen Verehrer vergewaltigt wird. Auch ein Kloster spielt eine Rolle, hinter dessen Mauern sich ganz und gar Unchristliches tut.
Viele junge Georgierinnen und Georgier kehren zurück – mit neuen Werten, neuen Vorstellungen, wie sie leben wollen.
Tamar Tandashvili sitzt in ihrem Büro in Tiflis. Ein kreatives Chaos herrscht hier: die Wände sind voll geklebt mit bunten Post-it-Zetteln; mehrere Wandtafeln vollgeschrieben mit Buchstaben der wunderschönen, für Ausländer aber komplett unverständlichen georgischen Schrift. «Die Reaktionen auf das Buch waren sehr gespalten», sagt sie. «Viele schrieben mir, der Roman sei herzbrechend und herzerwärmend zugleich. Von anderen wurde ich wüst beschimpft: Ich sei eine Lügnerin und würde Georgien in den Dreck ziehen.»
«Change Makers» kämpfen für Veränderung
Tandashvili, feuerrotes Haar, schwarze Brille, hat ein Buch geschrieben über ein Land im Umbruch. «Georgien ist eine sehr konservative, patriarchale Gesellschaft», erklärt sie. «Aber das ändert sich. Es gibt viele junge Georgierinnen und Georgier, die im Ausland studiert haben und jetzt zurückkehren – mit neuen Werten, neuen Vorstellungen, wie sie leben wollen.»
«Change Makers» nennt Tandashvili diese Leute; Veränderer. Sie setzen sich für Frauenrechte ein, sie fordern mehr Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben und eine liberalere Drogenpolitik. In Tiflis gibt es inzwischen eine sehr lebendige Clubszene, in der nicht nur getanzt, sondern auch mal gekifft wird.
Dort ist es auch völlig in Ordnung, wenn zwei Männer miteinander ausgehen – oder zwei Frauen. Im konservativen Kaukasus sind derart liberale Sitten etwas Neues. «Für unsere patriarchalen Machos ist es natürlich ein schwerer Schlag, dass die jungen Leute plötzlich anders leben wollen», sagt Tandashvili.
Besonders schlimm war, dass Priester der georgisch-orthodoxen Kirche die Gewalttäter unterstützten und sie auch noch anfeuerten.
Die Autorin weiss, wovon sie redet. Sie ist selber eine «Change Makerin», hat in den USA und Ungarn studiert und kehrte 2013 nach Georgien zurück. «Eine Freundin hat mich und meinen Mann damals an eine Kundgebung mitgenommen, an der für die Rechte von Lesben und Schwulen demonstriert werden sollte. Da tauchten plötzlich Schlägertypen auf und prügelten auf die Teilnehmer ein.» Besonders schlimm sei gewesen, dass Priester der georgisch-orthodoxen Kirche die Gewalttäter unterstützten und sie auch noch anfeuerten.
Versteckspiel an christlichen Feiertagen
Seither unterstützt Tandashvili Lesben und Schwule in Georgien. Neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin betreibt sie auch eine psychotherapeutische Praxis. Viele ihrer Patienten sind Homosexuelle, die unter der Doppelmoral der Gesellschaft leiden. «Es ist verrückt: Die meisten meiner LGBT-Patienten kennen die christlichen Feiertage in Georgien auswendig. Warum? Aus Selbstschutz. Denn an solchen Tagen wird viel gesoffen und manch ein Macho kommt auf die Idee, er könnte doch den schwulen Nachbarn vermöbeln.»
Homosexuelle müssen sich verstecken, wenn Christen feiern. Gegen diesen Irrsinn schreibt Tandashvili an.