In Lausanne war das Atomabkommen mit dem Iran aus der Taufe gehoben worden, in Washington wäre ihm beinahe der Todesstoss versetzt worden. Und nun soll das Abkommen in Wien ein zweites Leben erhalten. Ein Grund dafür liegt – in Peking. Aber der Reihe nach.
Die Chancen stehen einigermassen gut, dass die neuen Verhandlungen in Wien über das Atomabkommen mit dem Iran von Erfolg gekrönt sein werden. Zwar misstrauen sich Amerikaner und Iraner gegenseitig, und wirklich zu begeistern vermag das Abkommen niemanden.
Aber die neue amerikanische Regierung von Joe Biden sieht darin mehr Vor- als Nachteile, auch angesichts der geopolitischen Rivalität mit China. Die iranische Führung ihrerseits erhofft sich von der Wiederbelebung des Abkommens eine Wiederbelebung der eigenen Wirtschaft.
Seit zwei Jahren de facto klinisch tot
Das Abkommen – 2015 in Lausanne ausgehandelt, 2016 in Kraft getreten – soll die Iraner vom Bau von Atomwaffen abhalten. Unterzeichnet hatten das Abkommen neben dem Iran und den USA die drei europäischen Staaten Grossbritannien, Frankreich und Deutschland sowie Russland und China.
Als Gegenleistung für den Atomwaffen-Verzicht sollten die zahlreichen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran schrittweise aufgehoben werden. Zusammen mit Misswirtschaft und jetzt auch noch der Corona-Pandemie haben die Sanktionen das Land in eine tiefe Krise gestürzt.
Zunächst hielt sich der Iran denn auch an die Bestimmungen des Abkommens, begrenzte die Anreicherung atomwaffenfähigen Urans und gewährte den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Zugang zu seinen Anlagen.
Doch Donald Trump, ab 2017 US-Präsident, kritisierte das Vertragswerk. Unter anderem, weil es keine Bestimmungen zur konventionellen Raketenrüstung enthält und auch keine zur «destabilisierenden Rolle» des Irans in Ländern wie Libanon oder Syrien. 2018 erliess Trump neue Sanktionen gegen den Iran.
In der Folge hielt sich auch der Iran nicht mehr ans Abkommen und baute sein Atomprogramm unkontrolliert aus. Obschon offiziell noch immer in Kraft, gilt das Abkommen seit zwei Jahren als klinisch tot.
Es geht auch um... China
Doch Trumps Nachfolger Biden will dem Abkommen jetzt neues Leben einhauchen. Es sei zwar alles andere als perfekt, für die Sicherheit der Welt aber immer noch viel besser als kein Abkommen.
Dabei geht es Biden auch um China. Erst im März hatten China und der Iran eine strategische Partnerschaft verkündet. China, so die Hoffnung der Iraner, soll zumindest einen Teil des Handels und der Investitionen wettmachen, die durch die Sanktionen weggefallen sind. Die Chinesen wollen sich mit iranischem Erdöl und Erdgas eindecken.
Biden freilich sieht in einem übermächtigen China die eigentliche Gefahr für die USA. Keinesfalls soll eine Regionalmacht wie der Iran noch mehr in die Arme der Weltmacht China getrieben werden. Die Wiederbelebung des Atomabkommens kann dies zwar nicht gänzlich verhindern – aber zumindest will Biden die chinesisch-iranische Allianz nicht zusätzlich nähren.