Zweijährige Nachforschungen des niederländischen Recherchebüros Lighthouse, zusammen mit ARD, «Spiegel», der französischen Zeitung «Le Monde» und dem britischen «Guardian» kommen zum Schluss, dass Griechenland Geflüchtete zwingt, andere Flüchtlinge mit Gewalt aus Griechenland in die Türkei zurückzudrängen.
Wer sich auf dem Boden der EU befindet, hat aber das Recht, ein Asylverfahren anzustrengen. Pushbacks sind ohnehin illegal, nun kommt eine neue Dimension dazu.
Flüchtlinge gegen Flüchtlinge
Erzählungen über solche Pushbacks kursieren seit einiger Zeit. Betroffene haben verschiedentlich geschildert, dass sie mit Gewalt über die griechisch-türkische Grenze zurückgedrängt wurden und dass ihre Peiniger ihre eigene Sprache, Farsi oder Arabisch gesprochen hätten.
Neu ist nun, dass sechs Beteiligte erzählen, wie sie von den griechischen Behörden unter Druck gesetzt wurden, andere Flüchtlinge aus Griechenland über den Grenzfluss Evros in die Türkei zu treiben. Bis zu 150 Menschen seien pro Nacht in die Türkei verfrachtet worden.
Ein syrischer Flüchtling erzählte dem «Spiegel», dass er bei seinem zehnten Versuch, die griechische Grenze zu überqueren, von der Polizei aufgegriffen und vor die Wahl gestellt worden: Entweder wegen angeblichen Menschenhandels ins Gefängnis zu gehen oder die griechische Polizei bei Pushbacks zu unterstützen und dafür im Gegenzug nach einigen Wochen eine Aufenthaltsbewilligung für 30 Tage zu erhalten. Das war der Freibrief in die EU.
«Sie haben mich zum Sklaven gemacht»
Der junge Mann erzählte, dass er mitangesehen habe, wie Flüchtlinge im Grenzfluss Evros ertrunken seien und dass er selbst einmal mit einem Paddel auf einen afghanischen Flüchtling eingedroschen habe, als dieser ihn attackiert habe.
Er selbst habe die Polizeistation nicht eigenständig verlassen dürfen, habe nur unregelmässig zu essen bekommen und sei geschlagen worden, wenn er Anweisungen nicht sofort befolgt habe: «Sie haben mich zum Sklaven gemacht», sagte er dem «Spiegel».
Die Rechercheteams konnten ein digitales 3D-Modell einer Polizeistation im Grenzort Tychero herstellen und so das Bildmaterial verifizieren. Alle Interviewten gaben konsistent über die Räume und ihre Funktionen Auskunft. Auch drei griechische Polizeibeamte hätten diese Praxis bestätigt.
Wenig Hoffnung bei Human Rights Watch
Bill Frelick ist Leiter der Abteilung Flüchtlinge und Migration bei Human Rights Watch. Er hoffe schon, dass Brüssel diese rechtswidrigen Praktiken zur Kenntnis nehme. Brüssel finanziere den Schutz der EU-Aussengrenze in Griechenland mit massiven Mitteln. Gross Hoffnung auf einen Wandel hat er dennoch nicht.