Die UNO-Sonderberichterstatterin wirft der Regierung Burmas vor, sie versuche gezielt, die Menschen der muslimischen Minderheit der Rohingya zu vertreiben. Von systematischen Vergewaltigungen, Prügel und Tötungen ist in einem Bericht die Rede. Menschenrechtsaktivisten sprechen von einem «schleichenden Völkermord». Einschätzungen von SRF-Südostasien-Korrespondentin Karin Wenger.
SRF News: Warum hat sich die Lage dieser Bevölkerungsgruppe in den letzten Monaten derart verschlechtert?
Karin Wenger: Es begann mit einem Überfall auf drei Polizeiposten in Burma an der Grenze zu Bangladesch im vergangenen Oktober. Die Angreifer waren Rohingya und töteten neun Polizisten. Darauf riegelte die Armee Teile des Gliedtstaats Rakhine ab, wo die meisten Mitglieder dieser Volksgruppe leben.
Laut UNO flohen seither Zehntausende von Rohingya vor der Gewalt nach Bangladesch. Hilfsorganisationen und Journalisten ist das Konfliktgebiet versperrt, sodass Informationen schwierig sind. Doch die UNO-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage in Myanmar, Yanghee Lee, traf geflohene Rohingya in Bangladesch. Sie erzählen, wie Soldaten Kehlen durchschneiden und Häuser mit gefesselten Menschen anstecken. Auch von Massentötungen und Vergewaltigungen durch die Armee berichten Geflohene.
Sie erzählen, wie Soldaten Kehlen durchschneiden und Häuser mit gefesselten Menschen anstecken.
Seit anderthalb Jahren ist in Burma Aung San Suu Kyi an der Macht und die Hoffnungen für die Menschenrechte waren gross. Wieso unternimmt sie nichts?
Aung San Suu Kyi steht unter enormen politischen Zwängen. Muslime sind keine wichtige Wählerbasis im vorwiegend buddhistischen Burma. Die Rohingya sind zudem in grossen Teilen der Bevölkerung verhasst. Aung San Suu Kyis Schweigen illustriert ihren begrenzten Handlungsspielraum in einem Land, wo die Armee bis heute wichtige Ministerien unter ihrer Kontrolle hält. Die Armee kann somit nach Belieben in Rakhine wüten. Auch im Gliedstaat Kachin und Shan-Staat eskaliert die Lage zusehends.
Muslime sind keine wichtige Wählerbasis im vorwiegend buddhistischen Burma.
Die burmesische Regierung weist die Vorwürfe zurück und will nach eigenen Angaben das Problem selber lösen. Wieso schaut die internationale Gemeinschaft nur zu?
Es scheint so, als ob sich viele westliche Länder schwer damit tun, die Nobelpreisträgerin für Menschenrechte und grosse Hoffnungsträgerin Aung San Suu Kyi zu kritisieren. Der Westen hatte völlig übertrieben Erwartungen, als sie vor anderthalb Jahren gewählt wurde. Es gibt aber auch handfeste Eigeninteressen des Westens, darunter die wirtschaftliche Öffnung dieses jungfräulichen Marktes.
Nun stellt sich heraus, dass auch Aung San Suu Kyi vor allem eine Politikerin ist, die unter politischen Zwängen steht und vieles im Argen lässt. Es wurden in den letzten Monaten auch kritische Journalisten und Anwälte ins Gefängnis gesteckt, ausgewiesen oder umgebracht. Es scheint wirklich so, als ob die westlichen Länder noch eine klare Haltung gegenüber Aung San Suu Kyi finden müssen – um sie zu kritisieren und an ihre Versprechungen zu erinnern, ohne ihre Regierung zu stark zu destabilisieren.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.