Robert E. Lee ist seit fast 150 Jahren tot. Doch der legendäre Südstaatengeneral wirkt bis heute nach. Ein Streit über ein Denkmal Lees löste den Aufmarsch ultrarechter Gruppen in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia am Wochenende aus.
Dass die extreme Rechte in den USA den Südstaatengeneral Lee so einfach für sich vereinnahmen kann, ihn zum Symbol für Rassenhass, Überlegenheit der Weissen und neonazistisches Gedankengut machen kann, hänge mit einer sehr einseitigen Erinnerungskultur zusammen, erklärt Simon Wendt, Experte für amerikanische Geschichte.
Lee wird als Held vor allem im Süden der USA verehrt, aber auch im Norden. Dabei war Lee im Amerikanischen Bürgerkrieg ein Abtrünniger. Präsident Lincoln hatte ihm kurz nach Beginn des Sezessionskrieges das Kommando über seine Truppen angeboten. Doch Lee lehnte ab und schloss sich den Südstaaten an, um die Union zu bekämpfen.
Sieg eignet sich zur Heldenverehrung
Grund für die Mythenbildung um seine Person war zu einem guten Teil sein militärischer Erfolg. Trotz klarer Unterlegenheit seiner Truppen verfolgte er eine aggressive Strategie und schlug die Union auf ihrem Gebiet.
Der Sieg des Schwachen über den Starken eignet sich zur Heldenverehrung, wie Simon Wendt weiss. Dass Lee für eine Sklavenhaltergesellschaft gekämpft hat, werde in der Erinnerung der Geschichte gerne ausgeblendet. Im Mittelpunkt stehe der Held, der männliche Stärke beweist. Das, so Wendt, seien Werte, mit denen sich der Süden der USA genauso wie der Norden identifizieren könne.
Schwarze wurden als Ware gesehen
Nach dem Bürgerkrieg, der mehr Tote gefordert hatte als jeder andere Krieg der USA, wollten beide Seiten Versöhnung. Die Südstaatler wurden nicht als Abtrünnige diffamiert, man versuchte ihre Ehre wiederherzustellen. Lee eignete sich dafür perfekt. Schon zu Lebzeiten wurde er für seine geschickte Militärstrategie gefeiert.
Es war eine Versöhnung der Weissen, erklärt Simon Wendt. Die Afroamerikaner und die Tatsache, dass fast 200'000 für die Union gekämpft hatten, wurden vernachlässigt. Ebenso, dass zur Gesellschaft der Südstaaten der Sklavenhandel gehörte, wo Schwarze als Ware gesehen wurden. Erst in jüngster Zeit tritt dieser Aspekt wieder in den Vordergrund.
Robert Edward Lee
«Es gibt immer noch heftige Auseinandersetzungen»
Auch für Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, ist klar, dass die aktuellen Ereignisse ihren Ursprung in der Geschichte Amerikas haben: «Die Kolonien haben sich aufgrund äusseren Druckes zu einem Staatenbund zusammengeschlossen. Die amerikanische Verfassung ist ein Kompromiss.»
So könne man die Gegensätze zwischen den Nord- und Südstaaten bis heute sehen. «Immer noch gibt es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Verfechtern einer starken Zentralregierung, den sogenannten Federalists, und den auf Eigenständigkeit der Einzelstaaten pochenden Anti-Federalists.»
«Die Sektion 4 zu kassieren war ein Fehler»
Dabei würden sich viele Amerikaner in den Südstaaten gegen Regierungseingriffe Washingtons wehren. «Sie wollen in ihren Staaten selbst bestimmen, wie sie leben und wirtschaften. Wer aber den Staat zu weit abbaut, nimmt ihm seine Ordnungsrolle», so der USA-Experte Braml.
Im Sommer 2013 hat das Oberste Gericht die Sektion 4 des Voting Rights Act, ein hart erkämpftes Gesetz von 1965, kassiert. «Das hat zur Folge, dass die US-Regierung künftig nicht mehr drüber wachen darf, dass Minderheiten bei Wahlen in einzelnen Bundesstaaten nicht diskriminiert werden», warnt Braml.
Doch Braml sagt auch: «Der schleichende Rassismus gerät durch die jüngsten Ausschreitungen vermehrt in den Fokus, was auch eine Chance sein kann, diesen zu bekämpfen.»