Hassverbrechen wie jenes Anfang August in der US-Grenzstadt El Paso mit 22 Toten haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Fachleute weisen darauf hin, dass sich dieser hausgemachte Terror von rechts immer stärker dem dschiadistischen etwa des Islamischen Staates angleicht: Die Täter sind jung, männlich und fühlen sich entrechtet.
«Sie haben sich übers Internet radikalisiert und sind überzeugt, dass die Welt vor einem Kampf der Zivilisationen steht und Gewalt die einzige Lösung ist», erklärt Terrorismusforscher Colin Clarke vom Soufan Center in New York.
In diesem Kampf der Zivilisationen sehen sich die jungen Männer als Vorreiter, ja sogar als Märtyrer.
Diese Charakterisierung treffe heute nicht mehr nur auf Dschihadisten zu, sondern auch auf gewaltbereite Anhänger der White Supremacists, so Clarke.
Scheinbar lose organisiert, schwer fassbar
Auch die Organisationsform habe sich angeglichen, funktionierten sie doch wie scheinbar führerlose Widerstandsgruppen: «Innerhalb dieser Gruppen bestehen kaum persönliche Kontakte. Damit schützten sie sich vor Infiltration durch Strafverfolgungsbehörden.» Ziel seien selbsterhaltende, lose Gruppierungen, die es Einzelkämpfern ermöglichten, zuzuschlagen.
«Der grosse Austausch»
Während sich dschihadistische Terrorgruppen auf verzerrte Interpretationen des Korans berufen, stützten sich die extremistischen Weissen Nationalisten auf Verschwörungstheorien, vor allem auf den Text «Le Grand Remplacement» des Franzosen Renaud Camus.
«Der grosse Austausch» von Camus steht für die Überzeugung, die weisse Bevölkerung werde von Minderheiten und Immigranten aus aller Welt verdrängt. Dahinter stünden Eliten, Wirtschaftsführer, die Juden und Politiker, die Globalisierung und Multikulturalismus förderten. Solche Verweise tauchen in den Manifesten von Attentätern immer häufiger auf.
Strafbestand «internationaler Terrorismus»
Beide Ideologien stünden sich zwar feindselig gegenüber, nährten sich aber auch gegenseitig, sagt Clarke: «Jeder dschihadistische Gewaltakt mobilisiert und bestätigt die radikalen weissen Nationalisten und umgekehrt.» Dies führe zu einem gefährlichen Kreislauf.
Sind die US-Behörden bislang der Gefahr von Extremisten am rechten Rand entschieden genug entgegengetreten? Eindeutig nicht, sagt Clarke: Seit dem dschihadistischen Anschlägen vom 11. September 2001 werde Terrorismus einseitig mit dem Islam verbunden. Dies habe den Blick für die Terrorgefahr von rechts verzerrt.
In den USA existiert nur der Straftatbestand «internationaler Terrorismus». Die weitreichenden Kompetenzen der Geheimdienste zur präventiven Überwachung von Menschen mit terroristischen Neigungen eingeschränkt, wenn es sich um US-Bürger und einheimischen Terrorismus handelt.
Gefährliche Doppelmoral
Der Grund ist die umfassend geschützte Meinungsfreiheit: Erst wenn konkrete Hinweise auf eine mögliche strafbare Handlung vorliegen, kann eine umfassende Überwachung von einheimischen Terrorverdächtigen eingeleitet werden.
Gleich lange Spiesse bei der Bekämpfung von internationalem und einheimischem Terrorismus seien dennoch möglich, glaubt Terrorismusforscher Clarke. Aber die gegenwärtige Regierung tue sich schwer und der unterschiedliche Umgang mit Dschihadisten und weissen rechten Gewaltbereiten sei geprägt von Doppelmoral. Auch die ambivalente Haltung des US-Präsidenten erschwere die Bekämpfung dieses Gewaltpotentials.