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Gianni Infantino Ein «ganz einfacher Fan» ist Herr über die Fussballwelt

Der Walliser ist das Gesicht der umstrittensten WM aller Zeiten. Sein Aufstieg vom Uefa-Generalsekretär zum alleinigen Anwärter auf die Fifa-Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr: kometenhaft.

Die Schlagzeilen aus Katar überschlagen sich derzeit. Jüngster Eklat: Der Weltfussballverband verbietet mehreren europäischen Teams das Tragen einer besonderen Captain-Armbinde, die gegen Diskriminierung und zur Inklusion aufrufen soll. Dafür zieht der Deutsche Fussball-Bund die Fifa nun in der Schweiz vor Gericht.

Und trotzdem hat Fifa-Präsident Gianni Infantino, 52-jährig und aus Brig stammend, die Wahl für eine dritte Amtszeit im März so gut wie auf sicher. Wie passt das zusammen? Und wer ist dieser Mann?

Der Aufstieg zum Strippenzieher

Wegen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen im Golfstaat haben viele europäische Fans zum WM-Boykott aufgerufen. Dass er für solche Aktionen wenig Verständnis hat, machte Infantino jüngst deutlich.

Fans des FC Zürich hissen ein Banner mit der Aufschrift «Love Football, Hate Fifa. Boycott Qatar 2022.»
Legende: Mit dem Entscheid, die WM nach Katar zu vergeben, hat die Fifa den Unmut grosser Teile der Fanszene in Europa gegen sich aufgebracht. (im Bild: Spiel des FC Zürich gegen Servette am 13.11.22) KEYSTONE/Michael Buholzer

In einer eigentlichen Wutrede entgegnete er seinen Kritikern, dass er «einer von ihnen» sei, und meinte damit die Minderheiten in Katar. Dann schob der Fifa-Chef nach: «Heute bin ich schwul, heute fühle ich mich behindert.»

Heute fühle ich mich schwul, heute fühle ich mich behindert.
Autor: Gianni Infantino Fifa-Präsident

Als die WM 2022 vor zwölf Jahren nach Qatar vergeben wurde, war Infantino bereits an einer Schweizer Adresse für einen Fussballverband tätig – allerdings rund 250 Kilometer entfernt von Zürich, nämlich in Nyon am Genfersee.

Das ist Gianni Infantino

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Gianni Infantino bei einer Auslosung.
Legende: Gianni Infantino (rechts) im November 2012 bei der Auslosung zur Frauen-Europameisterschaft 2013. IMAGO/ADAM IHSE / TT;
  • 1970 wird Gianni Infantino als Sohn italienischer Einwanderer in Brig geboren. Er hat zwei ältere Schwestern.
  • Selber Fussball gespielt hat er als Junior und Aktiver für den FC Brig-Glis.
  • Gianni Infantino ist gelernter Jurist, mit einem Abschluss an der Universität Neuenburg.
  • 15 Jahre lang war der Walliser beim europäischen Fussballverband Uefa tätig. Als Generalsekretär war Infantino u.a. für die Gruppenauslosungen bei Turnieren verantwortlich.
  • 2016 erfolgte die Wahl zum Fifa-Präsidenten. Infantino trat damit die Nachfolge eines anderen Wallisers an: Sepp Blatter.
  • 2019 erfolgte die Wiederwahl per Akklamation. Es gab keinen Gegenkandidaten.
  • Infantino ist verheiratet. Seine Frau stammt aus dem Libanon. Zusammen haben sie vier Kinder. Seit einigen Jahren hat er seinen Wohnsitz teilweise nach Katar verlegt.

2015 sollte dann ein Schicksalsjahr für die Fifa und Gianni Infantino werden. Im Zuge der Ermittlungen durch die US-Justiz zur WM-Vergabe kam es im Mai zu insgesamt 20 spektakulären Festnahmen innerhalb der Fifa. Präsident Sepp Blatter trat daraufhin unter Druck zurück. Es folgten Neuwahlen.

Ein Polizeiauto steht vor dem Hotel Baur au Lac in Zürich. Daneben sind mehre Medienvertreter zu sehen.
Legende: Die Verhaftungen mehrerer Fifa-Funktionäre im Mai 2015 kamen einem sportpolitischen Erdbeben gleich. REUTERS/Arnd Wiegmann

Infantino gelang es innert kürzester Zeit, genügend der 211 nationalen Verbände hinter sich zu bringen. Am 26. Februar 2016 wurde er zum Präsidenten gewählt. Dass kurze Zeit später sein ehemaliger Förderer bei der Uefa, Michel Platini, wegen Korruptionswürfen seinen Hut nehmen musste, befeuerte Gerüchte über einen Komplott seitens Infantinos. Beweise dafür gibt es bis heute nicht.

In der neuen Fifa verschwindet kein Geld mehr.
Autor: Gianni Infantino Fifa-Präsident

Der Walliser versprach bei seinem Amtsantritt einen Neuanfang bei der Fifa und einen sauberen Fussball. Gegenüber SRF erklärt er 2020: «In der neuen Fifa verschwindet kein Geld.»

Der Chef wollte einen Schlussstrich unter die Skandale der jüngeren Fifa-Vergangenheit ziehen. Im selben Interview mit SRF sagte er auch: «Ich bin ein ganz einfacher Fussballfan.»

Tatsächlich kam es zu mehreren Reformen innerhalb der Organisation. So wurde das umstrittene Exekutivkomitee durch den neuen Fifa-Rat abgelöst, und ein Mindestanteil an Frauen wurde eingeführt. Ausserdem verschrieb sich die Fifa Transparenz in Sachen Gehälter.

Strafverfahren gegen Gianni Infantino

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Im Jahr 2016 kam es zu mehreren Treffen zwischen Fifa-Chef Infantino und dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber. Die Treffen wurden trotz hoher Brisanz nicht protokolliert. Gegen die Fifa liefen zu diesem Zeitpunkt nämlich mehrere Verfahren.

2020 eröffnete der mit dem Fall beauftrage ausserordentliche Staatsanwalt, Stefan Keller, eine Strafuntersuchung gegen Infantino, nachdem mehrere Personen Strafanzeige gegen Lauber und Infantino eingereicht hatten. Es geht unter anderem um Amtsmissbrauch und Begünstigung.

Infantino hat stets beteuert, dass es sich um «legitime» Treffen mit dem Schweizer Bundesanwalt handelte. 2020 erklärte er im SRF-Interview, dass er dem Bundesanwalt die Fifa habe erklären wollen. An weitere Inhalte will er sich nicht erinnern können. Die Fifa-interne Ethikkommission hat den Präsidenten von jeglicher Schuld freigesprochen.

Doch die Negativschlagzeilen rissen nicht ab. Auch nach Infantinos Amtsantritt kam es zu Rücktritten mit einem Beigeschmack, etwa von Compliance-Chef Domenico Scala. 2018 veröffentlicht der Europarat einen Bericht, der dem Fifa-Präsidenten vorwarf, die Organisation mit eiserner Hand zu führen und damit weitere Reformen zu erschweren.

Infantinos Hausmacht liegt ausserhalb Europas

Die Position der Fifa als Verwalterin der beliebtesten Sportart sowie – mit der WM – des grössten Sportanlasses der Welt bringt sie naturgemäss in die unmittelbare Nähe der Weltpolitik. Infantino zelebriert den Kontakt zu den Mächtigen dieser Welt, erntet dafür aber auch viel Kritik.

Gianni Infantino sitzt neben Wladimir Putin. Beide klatschen während einer Theatervorführung.
Legende: Gianni Infantino zusammen dem Emir von Katar, Sheik Tamin bin Hamad al Thani, und dem russischen Staatspräsidenten, Wladimir Putin, 2018 in Moskau. Auch die Vergabe der WM an Russland wurde stark kritisiert. Reuters

Der Fifa-Chef ortet in dieser Kritik nicht zuletzt auch europäischen Chauvinismus. In seiner Wutrede vor kurzem sprach er dies direkt an. «Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben auf dieser Welt, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anderen eine moralische Lektion erteilen.»

Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen.
Autor: Gianni Infantino Fifa-Präsident

Mehrfach hat man in Europa, im historischen Zentrum des Weltfussballs, in den vergangenen Jahren wegen Vorschlägen aus der Fifa-Zentrale die Nase gerümpft. Doch der Wandel hin zum globalen Produkt ist unaufhaltbar.

Ab der nächsten WM treten denn auch 48 und nicht mehr, wie bisher, 32 Mannschaften an. Zugutekommen dürfte dies vor allem Asien. Ethisch-moralische Diskussionen, wie diejenige über die Rechte homosexueller Menschen in Katar, dürften darum in Zukunft nicht abnehmen.

Gianni Infantino hat trotz aller Kritik immer an Katar als Gastgeber festgehalten. Die WM werde die «grösste aller Zeiten», erklärte er mehrmals. Seit einiger Zeit lebt der Walliser mit seiner Familie einen Grossteil des Jahres über im Golfstaat.

Fifa-Kongress 2023

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Am 31. März 2023 wird die Fifa einen Präsidenten wählen. Der Kongress findet in der Hauptstadt Ruandas, Kigali, statt. Vor wenigen Tagen, am 17. November, lief die Frist für mögliche Bewerber ab. Neben Gianni Infantino stellte sich niemand zur Verfügung. Zuvor hatten bereits die Kontinentalverbände Südamerikas, Asiens, Afrikas und Ozeaniens dem aktuellen Fifa-Präsidenten ihre Unterstützung zugesagt. Sollte der Schweizer, wie erwartet, wiedergewählt werden, würde er in seine letzte Amtszeit gehen. Mehr als 12 Jahre an der Fifa-Spitze lässt die Satzung nicht zu.

Der Fussballverband von Dänemark (DBU) will FIFA-Präsident Gianni Infantino ab sofort nicht mehr unterstützen. Dies gaben die Verantwortlichen am Mittwoch bekannt. Eine Folge der Affäre um die «One Love"-Captainbinde. Die DBU hofft darauf, bis zur Wiederwahl im März 2023 doch noch einen Gegenkandidaten für den Walliser zu finden, obwohl die Bewerbungsfrist nach Angaben der FIFA bereits am vergangenen Mittwoch ablief.

10vor10, 22.11.22, 21:50 Uhr

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