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Giftanschlag in Salisbury Alles Fake, alles Lüge, alles Photoshop?

Seit dem Anschlag auf Sergej Skripal in Salisbury gibt es wechselseitige Schuldzuweisungen zwischen London in Moskau. Zuletzt gipfelte dies in der Ausweisung russischer Diplomaten. Aber nicht nur zwischen den Staaten kochen die Emotionen hoch, sondern auch in den Kommentarspalten. Dabei wird immer wieder auf vermeintliche Ungereimtheiten hingewiesen. Grund genug, den SRF-Korrespondenten Christof Franzen und Russland-Kenner Boris Reitschuster zu den häufigsten Vorwürfen zu befragen.

SRF News: Sergej Skripal wurde 2004 in Russland verhaftet, 2006 verurteilt, 2010 begnadigt: Warum hat man sich seiner nicht schon damals «geräuschlos» entledigt?

Christof Franzen: Ich habe mit einem ehemaligen Offizier des Auslandsgeheimdienstes gesprochen. Er kann sich keinen Reim auf die Sache machen. Denn auch für Russen gilt die unausgesprochene Regel: Ausgetauschte Spione lässt man in Ruhe. Neben vielen anti-westlichen Theorien wird deshalb hierzulande auch darüber spekuliert, ob es sich nicht um einen persönlichen Rachefeldzug von Ex-Geheimdienstlern handelt.

Auch für Russen gilt die unausgesprochene Regel: Ausgetauschte Spione lässt man in Ruhe.
Autor: Christof Franzen

Boris Reitschuster: Es gibt Berichte, dass Skripal wohl doch noch aktiv war und mehr wusste, als bisher angenommen – insbesondere was die Verflechtungen zum Thema Russland-Trump angeht. So hatte er enge Verbindungen zum früheren MI6-Agenten und Russland-Experten Christopher Steele, dem Autor des weltbekannten Dossiers über die Russland-Verbindungen Trumps.

Warum wurde ein Gift verwendet, das es nur Russland gibt und leicht nachzuweisen ist?

C. F.: Dazu kann ich nichts sagen.

B. R.: Damit klar ist, wer hinter dem Anschlag steht.

Weshalb sollte Russland so etwas kurz vor der Fussball-WM tun – wohlwissend, dass alle Augen auf das Land gerichtet sind? Rational erscheint das nicht, oder doch?

B. R.: Wir im Westen sind da viel zu naiv. Aus russischer Sicht ist das durchaus alles sehr rational. Wir hingegen gehen immer davon aus, dass alle Friede, Freude, Eierkuchen wollen. Wir unterstellen unsere Rationalität – verstehen aber oftmals nicht die der anderen.

C.F.: Um solche Dinge foutiert sich Russland im Moment. Das Renommee ist nach der Krim-Annexion, dem Krieg in der Ostukraine, dem Syrien-Einsatz und dem Doping-Skandal im Westen ohnehin schwer angeschlagen. Zudem, was heisst Russland? Es gibt mehrere Russlands: das offizielle, das des Geheimdienstes, das der Oligarchen.

Welches Ziel sollte Moskau mit der Ermordung verfolgen?

C.F.: Was naheliegt, ist Abschreckung nach dem Motto: Verrat wird nicht geduldet.

B.R.: Nach innen kann sich Putin jetzt als starker Mann produzieren – als einer, der die Bevölkerung schützt und der Weltverschwörung die Stirn bietet. Nach aussen zeigt er dem – aus russischer Sicht «impotenten» Westen – die Muskeln und suggeriert Stärke auf Stufe der USA.

Gibt es Anhaltspunkte für eine «False Flag»-Aktion – sprich dafür, dass der Anschlag den Russen nur in die Schuhe geschoben werden soll?

C.F.: Die Russen selber sprechen von einer «beispiellosen Provokation». Dafür sehe ich aber keine Anzeichen. Allerdings finde ich das aktuelle britische Vorgehen fraglich. Mit dem, was man bis jetzt weiss, erscheint mir die Beweislage doch sehr dünn. Russland ein Ultimatum zu stellen und von Moskau eine Beweispflicht für dessen Unschuld zu verlangen, kommt selbst bei kremlkritischen Stimmen nicht gut an.

Das Gespräch führte Uwe Mai.

Boris Reitschuster

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Boris Reitschuster lebte 16 Jahre in seiner zweiten Heimat Russland. Er leitete die Focus-Redaktion in Moskau und arbeitet heute als Publizist in Berlin. Sein neuestes Buch heisst: «Putins Demokratur – was sie für den Westen so gefährlich macht».

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