Wladimir Ugljow ist 71 Jahre alt. Der pensionierte Wissenschaftler vernimmt am Schwarzen Meer vom Anschlag auf den ehemaligen russischen Geheimdienstler Sergej Skripal. Die Nachricht scheint ihn wenig zu berühren.
Es ist der erste Giftgasanschlag in Westeuropa seit dem zweiten Weltkrieg. Ugljow hat Nowitschok mitentwickelt. Er kennt seine Wirkung.
Hemmstoffe blockieren ein bestimmtes Enzym. Dadurch werden Impulse verstärkt. Sie sind nicht mehr zu stoppen. Der Körper zuckt und verkrampft. So stirbt der Mensch ganz schnell.
Wladimir Ugljow stammt aus einer Arbeiterfamilie. Schon in der Schule erhält er den Übernamen «Professor». Später studiert er in Moskau Chemie. Nach dem Studium wirbt ihn der Geheimdienst an, Ugljow zieht in die geheime Stadt Schichani und forscht an Nervengiften. Er erfüllt die todbringende Aufgabe seiner Vorgesetzten. Noch effektiver als gewünscht.
Ugljow lebte und arbeitete im wissenschaftlich-militärischen Komplex Schichani. Ein geheimer Ort, der auf keiner Landkarte eingezeichnet war. Über den niemand im Westen etwas wissen sollte.
In Schichani wurde an chemischen Kampfstoffen geforscht – an Menschen und Tieren. 1994 konnte das Schweizer Fernsehen in Schichani drehen. Russland wollte zeigen, wie ernst es das Land meint – mit der Vernichtung der chemischen Kampfstoffe.
In der geheimen Stadt hat Ugljow in einem besonders gesicherten Labor gearbeitet. Nur Eingeweihte wussten von dessen Existenz und den Forschungszielen.
Der Eingang in die geschlossene Stadt war streng bewacht. Ugljow konnte nie zu Fuss an die Arbeit. Er wurde immer direkt ins Geheimlabor gefahren.
1995 sind die Kontrollen in Schichani nur noch lax. Einem Mitarbeiter gelingt es Gift aus dem Labor zu schmuggeln. Er verkauft es an die Mafia. Mit dem Gift wird der Banker Iwan Kiwilidi ermordet. Das Gift war am Telefonhörer.
Auch Wladimir Ugljow bekam einschlägige Kauf-Angebote. Er lehnte jedoch ab. Nicht zuletzt aus Angst, in eine Falle des Geheimdienstes zu tappen.
Bei der Vergiftung des ehemaligen Geheimdienstlers Sergej Skripal kam der tödliche Stoff vermutlich aus Moskau. Unklar ist, auf welche Weise das Nervengift nach Salisbury gebracht worden ist. Transportprobleme sieht Ugljow indes keine.
Die Ermittlungen im Fall Skripal könnten noch Monate dauern. Die Experten spekulieren, ob das Nervengift an den Türgriffen oder im Lüftungssystem von Skripals Auto angebracht worden ist.
Mehrere Tausend Kilometer westlich – im englischen Salisbury versucht die Polizei fieberhaft, den Giftanschlag auf Sergej Skripal und seiner Tochter Julija aufzuklären. Eine der zentrale Fragen lautet: Wer hat ein Motiv?
Skripals Biografie könnte den Schlüssel liefern: Sergej Skripal ist ein ehemaliger Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Mitte der neunziger Jahre verriet er sein Vaterland an England. Seit 2010 lebte Skripal als unauffälliger Rentner in England.