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Faktencheck zum Giftagasangriff in Syrien
Aus Echo der Zeit vom 15.04.2017. Bild: keystone
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Giftgas-Angriff in Syrien Das weiss man bis heute über den Vorfall

Die Vorgeschichte

  • Am 4. April 2017 wird der syrische Ort Chan Scheichun mit einem chemischen Kampfstoff angegriffen. 86 Menschen sterben, viele werden verletzt.
  • Erste Bilder von Opfern tauchen um 10 Uhr (Ortszeit) in sozialen Medien auf.
  • Laut Ärzten ohne Grenzen ist ein Nervengas eingesetzt worden. Patienten hatten verengte Pupillen, Muskelzuckungen und unkontrollierten Stuhlgang.
  • Syriens Regime bestreitet, einen Giftgas-Angriff verübt zu haben. Russland und Syrien erklären, es habe einen Angriff der syrischen Luftwaffe auf ein Munitionslager der Rebellen gegeben. Dort seien Munition und Giftgasgranaten explodiert.
  • Russland verhindert im UNO-Sicherheitsrat eine Untersuchung des Vorfalls.
  • Die USA greifen daraufhin mit Marschflugkörpern einen Militärflugplatz des syrischen Regimes an.

SRF News: Was ist bislang über den Chemiewaffen-Einsatz geklärt?

Fredy Gsteiger

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Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Fredy Gsteiger: Bestätigt werden kann, dass das hochgiftige Nervengas Sarin freigesetzt wurde. Und zwar in beträchtlichem Umfang. Das erklärt die vielen Opfer, gegen hundert Tote und viel mehr Verletzte. Auch die Ärzte ohne Grenzen sprachen sehr früh von einem Nervengas. Inzwischen bestätigten das auch die internationale Chemiewaffenbehörde und die Weltgesundheitsorganisation. Letztere konnte das Nervengas bei Blut- und Urinproben der Opfer nachweisen.

Wer ist verantwortlich für den Angriff?

Es gibt keinen direkten Beweis, zumindest nicht von unabhängiger Warte aus. Es gibt allerdings sehr viele Indizien, die auf das syrische Regime hindeuten.

Waren seit dem Angriff unabhängige Beobachter im Ort Chan Schaichun?

Es waren Journalisten dort, zum Beispiel von der französischen Nachrichtenagentur AFP, auch UNO-Vertreter und Mitarbeiter von Hilfswerken. Aber eine eigentliche Untersuchungskommission mit Experten für Chemiewaffen gab es noch nicht.

Es gibt Augenzeugenberichte, wonach syrische Kampfjets die Bomben abgeworfen haben sollen. Gibt es Videos, die das belegen?

Videos von den Abwürfen der Bomben sind nicht bekannt. Es gibt allerdings sehr viele Videos, Fotos und Audiodokumente von den Opfern. Die grossen Nachrichtenredaktionen, aber auch grosse Redaktionen, etwa jene der britischen BBC, haben mittlerweile ganze Teams, die auf die Überprüfung der Echtheit solcher Bilder spezialisiert sind. In Zusammenhang mit Chan Scheichun gibt bislang keine Berichte, dass solche Fälschungen im grossen Umfang vorgekommen sein sollen.

Russland und Syrien sagen, die Rebellen hätten in Chan Scheichun ein Chemiewaffenlabor betrieben. Ist das glaubhaft?

Es ist nicht wirklich plausibel, weil die Erklärung der Russen und der Syrer sehr widersprüchlich ist. Es fängt schon beim Zeitpunkt des Angriffes an. Die beiden Verbündeten sprechen von einem Angriff um den Mittag herum. Allerdings gibt es Belege dafür, dass es bereits am Morgen Giftgasopfer gab. Es geht weiter mit dem Ort des Angriffes. Das angebliche Lager für Giftgas von den Rebellen habe sich im Osten der Stadt befunden. Die Opfer traten aber im Norden der Stadt auf. Es gibt auch keine Belege, beispielsweise Bildbelege, dass es ein solches Lager dort überhaupt je gab. Und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass dort eine Explosion stattfand. Sarin ist aber explosiv.

Russland verhinderte im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution, die eine Aufklärung des Giftgasangriffs verlangt. Warum dieses Veto, wenn angeblich nicht Assad hinter dem Angriff steckt?

Das ist in der Tat eine sehr widersprüchliche Haltung. Moskau behauptet ja, es wolle rasch eine umfassende Untersuchung. Aber dann verhindert es eine Resolution, die genau dies will. Laut Darstellung der Russen gab es im Resolutionsentwurf Passagen, die vom syrischen Regime zu viel Offenlegung verlangt hätten. Beispielsweise die Einsicht in die Flug- und Einsatzpläne von Piloten. Möglicherweise ist der Grund für das russische Veto einmal mehr hauptsächlich ein politischer, nämlich erneut Syriens Machthaber Baschar Al-Assad im UNO-Sicherheitsrat den Rücken zu stärken.

Wird es je zu einer unabhängigen Aufklärung der Ereignisse vom 4. April in Chan Scheichun kommen?

Das hängt davon ab, ob das syrische Regime Hand bietet zu einer unabhängigen Untersuchung. Und das wiederum kann auch davon abhängen, ob das syrische Regime noch lange an der Macht bleibt. Wenn nicht, dann sind die Chancen für eine Untersuchung natürlich grösser. Wenn der Vorfall in absehbarer Zeit überpüft wird, kann man einen Nachweis nach dem Verantwortlichen erwarten.

Das Gespräch führte Roman Fillinger.

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