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Giftmüll in Kampanien Illegale Abfalldeponien: Italien hat das Problem verkannt

In der «Terra dei fuochi» wurde jahrelang illegal Abfall und Giftmüll verbrannt oder vergraben. Nun muss Italien handeln.

«Terra dei fuochi» – Land der Feuer. So nennt man das Umland Neapels. Rund drei Millionen Menschen leben in diesem Gebiet. Seit Jahrzehnten sind sie massiver Luftverschmutzung und verunreinigtem Wasser und kontaminierten Böden ausgesetzt.

Denn in der «Terra dei fuochi» wird seit Jahren illegal Abfall vergraben oder im Freien verbrannt – auch von der Mafia. Es ist ein Millionengeschäft, und die Folgen sind verheerend. Viele Bewohnerinnen und Bewohner der Region sind an Krebs erkrankt, Kinder kommen mit Missbildungen zur Welt.

Mit Make-up gegen den Krebs

Carla D’Amore ist eine von vielen Betroffenen. Mit 24 Jahren bekommt sie die niederschmetternde Diagnose: «Ich war noch sehr jung, da wurde mir Brustkrebs im fünften Stadium diagnostiziert – aufgrund der Umweltbelastung in dieser Gegend. Ich hatte auch eine Metastase an der Aorta, musste in die Chemo, zur Strahlentherapie und nehme Hormonpillen.»

Frau spricht in Mikrofon vor Kosmetiksalon-Hintergrund.
Legende: Carla D’Amore holt Psychologen in ihren Schönheitssalon, um Krebskranken zu helfen. SRF

D’Amore ist bis heute in Behandlung. Ihr Schicksal hat sie veranlasst, anderen Betroffenen zu helfen. In ihrem Schönheitssalon organisiert sie Treffen mit Psychologen für die krebskranken Frauen aus der Region. Und D’Amore zeigt den Frauen, wie sie sich wieder schön fühlen können – trotz Haarverlust oder Gewichtszunahme.

Kontrolle von aussen

Auch wenn die illegale Abfallentsorgung seit Jahrzehnten bekannt ist, ist der italienische Staat weitgehend passiv geblieben. Italien wurde vor Kurzem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt und aufgefordert, innert zwei Jahren zu handeln.

«Endlich», sagt Sergio Costa, ehemaliger Umweltminister in der Regierung von Giuseppe Conte. Seit Jahren kämpft er für seine Region und gegen die illegale Abfallentsorgung. Zu viel Zeit sei vergeudet worden. «Wir brauchen offensichtlich Überwachung von aussen. Italien war bisher unfähig, sich in diesem Fall selbst zu kontrollieren. Es ist also nur fair, dass das jetzt jemand von aussen macht.»

Zu machen gibt es viel. Abfall liegt am Strassenrand. Und auf Feldern türmen sich alte Kühlschränke, Pneus und Kleiderabfälle. Daneben wachsen Früchte und Gemüse. In der Taverna del Re, einer der grössten Abfalldeponien Europas, warten Tonnen von Abfall seit Jahrzehnten darauf, fachgerecht entsorgt zu werden. Die Anlage umfasst eine Fläche von 200 Fussballfeldern.

Ein Kommissar soll es richten

In Rom hat die Regierung von Giorgia Meloni nun einen Kommissar ernannt. Er wird sich um die «Terra dei fuochi» kümmern. Demnächst sollen die ersten Pflöcke eingeschlagen werden.

Die Menschen in der Region sollen sich wieder sicher fühlen. Auch wenn sie noch jahrelang mit den Konsequenzen der illegalen Abfallentsorgung leben müssen.

Simona Caminada

Italien- und Vatikan-Korrespondentin

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Simona Caminada ist SRF-Korrespondentin für Italien und den Vatikan in Rom. Seit 2011 ist sie bei SRF tätig: zuerst als Radiojournalistin beim Regionaljournal Zürich/Schaffhausen und bei SRF3, danach als TV-Inlandkorrespondentin im Kanton Graubünden und aushilfsweise im Kanton Tessin.

10vor10, 1.4.2025, 21:50 Uhr

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