So wenig grobschlächtig, so nüchtern, ja ansatzweise fast schon höflich hat man US-Präsident Donald Trump sehr lange nicht mehr gesehen. Gewiss nicht vorige Woche bei der Nato. Auch nicht anschliessend beim Besuch in Grossbritannien. Und erst recht nicht gegenüber der EU. Überall dort schlug Trump wild um sich.
Jetzt in Helsinki, beim Treffen mit Wladimir Putin, schraubte er seinen Erregungspegel deutlich herunter. Ganz offenkundig war ihm dieses Treffen weitaus wichtiger als die vorangegangenen. Und unverkennbar war, dass Trump bereit ist, für ein gutes Verhältnis zu seinem russischen Amtskollegen einen Preis zu bezahlen.
Trump kann besser mit Autokraten als mit Demokraten
Klar wurde ebenfalls: Mit Autokraten kann Trump wesentlich besser als mit Demokraten. Da scheint eine Wesensverwandtschaft zu bestehen. Auch deswegen verkehrt der Präsident der Supermacht USA mit dem Kremlherrn auf Augenhöhe, ohne dass letzterer dafür irgendein Zugeständnis machen muss.
Gewiss, die Horrorvorstellung mancher im Westen, Trump könnte gleich die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland gutheissen, wurde nicht Realität. Aber man gewann nicht den Eindruck, der US-Präsident setze den obersten Russen im Geringsten unter Druck wegen Syrien oder wegen der Ukraine. Einzig in der Gaspolitik und bezüglich der Nord-Stream-Pipeline wurde ein offener Dissens eingeräumt, in aller Sachlichkeit.
Bizarre Einigkeit
Hingegen erteilte Trump schon unmittelbar vor dem Gipfel in Helsinki Putin die Absolution: Nicht er, nicht Russland trügen die geringste Schuld am gegenwärtig miserablen Verhältnis zwischen Moskau und Washington. Nein, die Vereinigten Staaten selber seien verantwortlich, aus Blödheit. Gemeint war natürlich nicht er, Trump selber, sondern – wie eigentlich immer – sein Vorgänger Barack Obama.
Geradezu bizarr wurde es, als Trump und Putin sich hundertprozentig einig waren, Russland habe sich keinesfalls in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt. Der US-Präsident traut in dieser äusserst sensiblen Frage offenbar Putins Wort mehr als seinem eigenen Sicherheitsapparat und seinen Geheimdiensten.
Putin mit leichtem Spiel
Während des ganzen Gipfels und auch davor und danach war es Trump ein grösseres Anliegen, gegen seine Kritiker zuhause auszuteilen und die Europäer blosszustellen oder anzugreifen, als irgendwelche Kritik an Russland zu üben. Gegen einen Präsidenten, der seine Rolle so versteht, indem er gegen die eigenen Landsleute, gegen die eigenen Partnerregierungen keilt, hat ein Putin leichtes Spiel. Denn er vertritt konsequent seine und russische Interessen. «Russia first» wird somit weitaus überzeugender verkörpert als «America first».
Auf dem Helsinki-Gipfel wurde über viele Themen gesprochen – und das weitaus länger als ursprünglich geplant. Allein schon das Vier-Augengespräch, ohne Berater, ohne Minister zwischen Putin und Trump dauerte mehr als zwei Stunden. Ebenso danach das Arbeitsmittagessen. Dennoch: Gelöst und beschlossen wurde dabei nichts. Was nicht erstaunt, war dieses Gipfeltreffen doch eher als allgemeiner, spontaner Gedanken- und Meinungsaustausch geplant. Es gab vorab keine Verhandlungen, die jetzt in konkrete Entscheidungen hätten münden können.
Phrasen statt Substanz
Als historisch wird dieses Treffen gewiss nicht in die Geschichte eingehen. Am Ende war viel die Rede vom Anfang eines Prozesses, von der Suche nach neuen Wegen für den Frieden, von der Intensivierung des Dialogs. Das sind die Phrasen, die man nach politischen Gipfeln stets dann verwendet, wenn die Substanz dünn ist.
Was nicht heisst, dass der Gipfel sinnlos war. Gerade angesichts der Spannungen ist es sicher nicht falsch, wenn Amerikaner und Russen auch auf höchster Ebene wieder mehr miteinander reden. Vielleicht kommt ja so irgendwann doch irgendwas zustande, etwa in Sachen Rüstungskontrolle und nukleare Abrüstung. Hier müssten eigentlich beide Grossmächte an mehr Vertrauen und konkreten Schritten interessiert sein.
Trotzdem wird man vor allem unter den Allianzpartnern Trumps Schritte zur Annäherung an Russland mit maximalen Misstrauen verfolgen. Denn die Gefahr, dass dieser Präsident den Ausverkauf der westlichen Werte und Politik betreibt, die bleibt.