Es gibt nicht viele, die die UNO besser kennen als Warren Hoge. Als Auslandchef der «New York Times», später als deren UNO-Korrespondent, hat er über die Vereinten Nationen berichtet.
Seit zehn Jahren beobachtet er die UNO nun als Chefberater des «International Peace Institute». Von Hoges Bürofenster am Sitz des Instituts fällt der Blick über New Yorks First Avenue direkt auf das UNO-Hochhaus am East River.
Schlimmer als unter Bush junior
Hoge hat manche UNO-Krise erlebt. Etwa jene, als die USA unter Präsident George W. Bush in Irak einmarschierten und die UNO sie nicht daran hindern konnte. «Das war schon ziemlich schlimm», so Hoge.
Doch die heutige Krise sei noch viel schlimmer, sagt der UNO-Kenner. Damals war John Bolton UNO-Botschafter der USA – inzwischen ist er Präsident Donald Trumps Sicherheitsberater.
Ohnmächtige UNO
Syrien, Jemen, Ukraine: Überall scheitere die UNO mit ihren Friedensbemühungen. «Die UNO hatte in all diesen Konflikten nicht den kleinsten Einfluss», stellt Hoge fest.
Die Liste liesse sich beliebig verlängern: Burma, Palästina, Zentralafrika, Mali, Nordkorea, Afghanistan. Auch da spielen die Vereinten Nationen bloss eine Nebenrolle. Obschon in all diesen Ländern die UNO in ihrem eigentlichen Kerngeschäft – Frieden zu stiften – gefordert wäre.
Ambitionen werden immer bescheidener
Angesichts der aktuellen Blockaden empfinden es manche geradezu als zynisch, dass in diesem Jahr die UNO-Generaldebatte mit einem Friedensgipfel eröffnet wird. Hoge jedoch ist überzeugt, die UNO müsse markieren, dass sie sich beim weltpolitischen Schlüsselthema Krieg und Frieden nicht widerstandslos ins Abseits drängen lasse.
Tatsächlich sind die Ambitionen bescheiden geworden. Am UNO-Friedensgipfel wird weniger die Rede davon sein, wie sich Frieden schaffen oder gar erzwingen lässt, wo heute gekämpft wird. Vielmehr wird es darum gehen, wie man den Frieden wenigstens dort retten kann, wo er derzeit noch herrscht.
Die UNO will nicht aufgeben
Manche raten der UNO sogar, sich auf Themen zu konzentrieren wie Entwicklungspolitik, Umweltschutz oder humanitäre Hilfe. Damit gäbe sie jedoch klein bei und würde akzeptieren, dass in der Welt allein die grossen Mächte den Ton angeben.
Der Friedensgipfel ist also auch ein Zeichen dafür, dass die Vereinten Nationen nicht aufgeben wollen. Ein anderes Zeichen ist allerdings, dass weder der amerikanische, noch der russische oder der chinesische Präsident daran teilnehmen wollen.
Die Starken drücken ihre Interessen durch
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres weiss um die Formkrise seiner Organisation. Der Multilateralismus, also das gemeinsame Lösen von Problemen nach völkerrechtlichen Prinzipien, sei akut in Gefahr, warnt er. Dabei wäre es nötiger denn je.
Wie recht er hat, zeigte sich, als kurz nach ihm die amerikanische UNO-Botschafterin, Nikki Haley, auftrat und sagte, um was es ihrer Regierung in der UNO-Gipfelwoche geht: «Wir werden die USA in den Fokus stellen.»
Für UNO-Kenner Hoge steht fest, dass sich die UNO jedes mal schwer tut, wenn die USA zu ihr auf Distanz gehen. Und Donald Trump vertrete eine Aussenpolitik, die den Prinzipien der Vereinten Nationen vollständig widerspreche. «Seine Aussenpolitik steht unter dem Credo America first – unilateral», so Hoge.
Weil immer mehr Länder wieder allein auf ihre eigenen Interessen achten, weil der Nationalismus eine neue Blüte erlebt, sind vom heutigen, gross inszenierten Friedensgipfel kaum Impulse zu erwarten.