Kinder, Frauen, Männer – Menschen, gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. Und es werden immer mehr. Der Eröffnungsfilm für das erste UNO-Flüchtlingsforum will mahnen. Doch die Mahnung bräuchte es gar nicht. Des Problems bewusst sind sich alle. Bloss gelöst ist es nicht.
Dabei wäre genau der UNO-Flüchtlingspakt ein Instrument, um die Genfer Konventionen von 1951, die Basis des internationalen Flüchtlingsrechts, zu stärken, sagte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis in Genf. Doch nun müssten den Worten Taten folgen, fordert er.
Ärmere Länder müssen Kosten selber schultern
Auch UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi muss die Fortschritte fast mit der Lupe suchen: Ein Dutzend Staaten – welche sagt er nicht – würden inzwischen den Pakt erfüllen. Sie tun es, indem sie Flüchtlinge integrieren, ihnen Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen und Arbeit ermöglichen. Und indem sie selber mehr Flüchtlinge aufnehmen oder jene, die sie aufnehmen, finanziell kräftig unterstützen.
Die grosse Mehrheit der Länder hält sich nicht an den Pakt. Und ärmere Länder, in denen weitaus mehr Geflüchtete leben als im reichen Westen – Libanon, Uganda, Jordanien, aber auch die Türkei und Pakistan – müssen noch immer einen Grossteil der Kosten selber schultern. Stattdessen machten in vielen wohlhabenden Staaten Rechtspopulisten Stimmung gegen Flüchtlinge, schürten Angst und das überaus erfolgreich, so Grandi.
«Rechtsaussen-Politiker schlagen Kapital daraus»
Obschon die UNO möglichst viele Staats- und Regierungschefs am Flüchtlingsforum versammeln wollte, entsandten die meisten Diplomaten, Ministerialbeamte oder allenfalls Minister. Etwa die USA, Grossbritannien, Italien oder Frankreich. Man möchte beim heiklen Thema Flüchtlinge nicht zu UNO-nahe und somit nicht zu flüchtlingsfreundlich erscheinen.
Auf höchster Ebene vertreten waren hingegen unter anderem die Türkei und Pakistan. Dessen Premierminister Imran Khan konnte sich eine Spitze gegen den Westen nicht verkneifen. Er sehe vielerorts wie Rechtsaussen-Politiker Kapital schlügen aus dem Flüchtlingsproblem.
UNO-Flüchtlingspakt als «À-discrétion»-Menü
Die UNO steckt im Dilemma: Sie muss Lösungen für die Krise finden. Gleichzeitig steht sie bei der Asylthematik in kräftigem Gegenwind. Selbst längst festgezurrte Normen wie das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge stünden auf einmal unter Druck, klagt UNO-Generalsekretär Guterres.
Während die UNO mit dem ebenfalls Ende 2019 beschlossenen Migrationspakt Neuland beschritt, bekräftigt der Flüchtlingspakt lediglich früher Erreichtes.
Es ist zurzeit eine Illusion, von der Weltgemeinschaft als Ganzes viel mehr zu erwarten. Einige Regierungen nehmen grosszügig Flüchtlinge auf. Andere tragen zumindest die finanziellen Lasten mit. Der UNO-Flüchtlingspakt ist indes nicht zwingendes Völkerrecht, sondern eine Selbstverpflichtung der Unterzeichnerländer. In vielen Hauptstädten wird er daher als «À-discrétion»-Menü aufgefasst – jede Regierung entscheidet selber, was sie umsetzt und was nicht. Es wird dauern, bis sich der Pakt mit Leben füllt.