Spätestens heute wurde klar, wie passend der Termin der ersten britischen Dezemberwahl seit 96 Jahren ist: Oppositionsführer Jeremy Corbyn spielte in Birmingham den Weihnachtsmann: Studiengebühren werden abgeschafft, die Altenpflege wird gratis, die Reform der Sozialversicherung gekippt. Eisenbahnen, Wasser, Gas und die Post werden wieder verstaatlicht. Kinderkrippen gratis, zahnärztliche Kontrollen ebenso.
Und schliesslich versprach Corbyn noch superschnelle Breitbandanschlüsse für alle – kostenlos. Doch es war letztlich kein angelsächsischer «Father Christmas», der bekanntlich ausschliesslich gütig ist. Es war eher ein grantiger Nikolaus aus dem Schwarzwald mit einer Rute.
Denn dieser Wahlkampf der Labour-Partei richtet sich gegen Feinde, Volksfeinde, darf man sagen: Bankiers, Milliardäre und das Establishment schlechthin verteufelten die Labour-Partei, denn sie fühlten sich bedroht, so Corbyn weiter. Diese Elite wolle keine Änderungen, keine Reformen, denn sie profitiere von einem System, das zu ihrem Vorteil verzerrt sei.
Wer soll das bezahlen?
Folgerichtig müssen diese Kreise gemäss Labour-Wahlprogramm auch für die Mehrausgaben bezahlen: Einkommensbezüger über 100’000 Franken, Dividenden, Firmengewinne, der fossile Energiesektor und der Finanzplatz werden genannt.
Hinzu kommt ein gigantisches Investitionsprogramm, das mit zusätzlichen Schulden finanziert wird. Der Staat übernähme unter diesem Programm eine Schlüsselrolle in der britischen Wirtschaft.
Die Konservativen wollen über den Brexit zu einem gedopten Thatcher-Liberalismus zurück.
Die Konservativen dagegen plädierten für Raubkapitalismus, meinte Corbyn. Sie planten unter dem Deckmantel von Brexit eine Rückkehr zu Margaret Thatchers Neoliberalismus – aber mit Anabolika.
Nichts Neues zum Brexit
Doch was sagt Labour zur zentralen Baustelle der britischen Gesellschaft – eben diesem Brexit? Nichts Neues. Labour würde nach den Worten Corbyns den Brexit in einem halben Jahr vollstrecken, denn die Partei wolle die bestehenden Handelsbeziehungen aufrechterhalten.
Wir bringen den Brexit innert sechs Monaten, denn wir wollen unsere wichtigsten Handelsbeziehungen nicht kappen.
Corbyn will dabei innert dreier Monate einen sanften Austritt mit Brüssel vereinbaren. Diese Einigung soll dann dem Volk vorgelegt werden; die Alternative wäre die Fortführung der bisherigen EU-Mitgliedschaft.
Doch Jeremy Corbyn weigert sich bewusst zu sagen, welche Option er selbst und seine Partei in diesem Abstimmungskampf empfehlen würden, denn er wolle eine gespaltene und zerstrittene Gesellschaft einigen. Das klingt nach Therapie, nicht nach politischer Meinungsführung.